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Die Adlon - Verschwoerung

Die Adlon - Verschwoerung

Titel: Die Adlon - Verschwoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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die wusste, wie man eine quadratische Gleichung löste.
    «Guten Tag», sagte sie kühl.
    Ich nickte zurück, doch sie interessierte sich bereits nicht mehr für mich.
    «Kann ich den Wagen nehmen, Mom?»
    «Du willst ausgehen?»
    «Keine Sorge, ich komme nicht spät.»
    «Es gefällt mir nicht, dass du abends ausgehst», sagte Noreen. «Was, wenn du von einer Armeekontrolle angehalten wirst?» «Sehe ich aus wie eine Revolutionärin?», entgegnete Dinah. «Leider nicht, nein.» «Siehst du.»
    «Meine Tochter ist erst neunzehn, Carlos», sagte Noreen. «Aber sie benimmt sich wie eine Dreißigjährige.»
    «Das habe ich wohl von dir, meine liebe Mutter.» «Wohin willst du überhaupt?»
    «Zum Barracuda-Club.»
    «Ich wünschte, du würdest nicht dorthin gehen.»
    «Das hatten wir doch alles schon, Mutter!», seufzte Dinah. «Alle meine Freunde gehen dorthin.»
    «Davon rede ich ja gerade. Warum kannst du dich nicht mit Leuten in deinem Alter treffen?»
    «Das würde ich ja vielleicht», sagte Dinah genervt. «Wenn wir nicht aus unserem eigenen Haus in Los Angeles ins Exil gegangen wären.»
    «Wir sind nicht ins Exil gegangen», widersprach Noreen. «Ich musste nur für eine Weile weg aus den Vereinigten Staaten.»
    «Das verstehe ich ja, Mom. Natürlich verstehe ich das. Aber bitte versuch auch zu verstehen, wie es für mich ist. Ich möchte ausgehen und Spaß haben. Ich will nicht am Tisch sitzen und mit langweiligen Leuten über Politik reden.» Dinah warf mir einen Blick zu und lächelte entschuldigend. «Ich meine nicht Sie, Senor Gunther. Nach allem, was meine Mutter mir von Ihnen erzählt hat, müssen Sie ein unheimlich interessanter Mensch sein. Aber die meisten Freunde von Mom sind linke Anwälte und Schreiber. Intellektuelle eben. Und Freunde von Ernest, die zu viel trinken.»
    Ich zuckte zusammen, als sie mich mit meinem richtigen Namen anredete. Es bedeutete, dass Noreen ihrer Tochter mein Geheimnis bereits anvertraut hatte, was mich einigermaßen irritierte.
    Dinah steckte sich eine Zigarette in den Mund und zündete sie an, als wäre es ein Feuerwerkskracher.
    «Und ich wünschte, du würdest nicht rauchen», sagte Noreen.
    Dinah verdrehte die Augen und streckte die behandschuhten Finger aus. «Die Schlüssel.»
    «Auf dem Tisch. Neben dem Telefon.»
    Dinah stapfte in einer Wolke von Parfüm, Zigarettenqualm und Verärgerung davon wie das rücksichtslose, Männer verschleißende Miststück in einem der Gruselstücke ihrer Mutter. Ich hatte keines von ihnen im Theater gesehen, nur die Filme, die nach ihrer Vorlage entstanden waren. Es waren Geschichten von skrupellosen Müttern, irren Vätern, flatterhaften Frauen, unehrlichen und sadistischen Söhnen und trunksüchtigen homosexuellen Ehemännern - die Art von Geschichte, die mich beinahe froh machte, dass ich keine eigene Familie hatte. Ich zündete mir eine Zigarre an und versuchte zu verbergen, dass mich diese kleine Szene amüsiert hatte.
    Noreen schenkte uns einen weiteren Bourbon ein. Ein Old Forrester, und sie hatte die Flasche aus dem Wohnzimmer mitgebracht. Dann schaufelte sie Eis aus einem Behälter, der aus einem Elefantenfuß gemacht war, in ihr Glas.
    «So ein kleines Biest», sagte sie leise. «Sie hat einen Studienplatz an der Brown University und tut trotzdem so, als würde ich sie zwingen, mit mir hier in Havanna zu leben. Ich habe sie nicht gebeten mitzukommen. Ich habe nicht ein verdammtes Wort geschrieben, seit ich in Kuba bin. Sie sitzt den ganzen Tag vor meiner Nase und spielt ihre Schallplatten. Ich kann nicht arbeiten bei diesem Krach. Ganz besonders nicht bei diesem Zeug, das Dinah hört. The Rat Pack - Live at the Sands. Ich bitte dich. Gott, wie ich diese selbstgefälligen Mistkerle hasse! Und nachts, wenn sie aus ist, kann ich auch nicht arbeiten, weil ich mir dann Sorgen mache, ihr könnte irgendwas zustoßen.»
    Ein oder zwei Sekunden später wurde der Motor des Pontiac Chieftain gestartet, und der Wagen führ die Einfahrt hinunter zur Straße, während der Häuptling auf der Motorhaube in der Dämmerung Ausschau hielt.
    «Du möchtest sie gar nicht hier bei dir haben?»
    Noreen starrte mich aus zusammengekniffenen Augen über den Rand ihres Glases hinweg an. «Du hattest früher nicht so eine lange Leitung, Gunther. Was ist passiert? Hat dir im Krieg jemand eins auf den Kopf gegeben oder was?»
    «Nur der eine oder andere Splitter, hier und da. Ich würde dir die Narben zeigen, aber dazu müsste ich das Toupet

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