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Die Adlon - Verschwoerung

Die Adlon - Verschwoerung

Titel: Die Adlon - Verschwoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Rebellen des Angriffs auf die Moncada-Kaserne im Juli 1953 verteidigt hatten. Auf den unausweichlichen Schuldspruch hin hatte der Richter im Justizpalast von Santiago die Rebellen zu einer meiner Meinung nach höchst milden Strafe verurteilt. Selbst der Anführer, Fidel Castro Ruiz, war lediglich zu fünfzehn Jahren verurteilt worden. Zugegeben, fünfzehn Jahre waren immer noch eine lange Zeit, doch immerhin hatte er einen bewaffneten Aufstand gegen einen mächtigen Diktator angeführt, und unter dem Fallbeil im Neuen Strafgefängnis Plötzensee waren auch harmlosere Vergehen gesühnt worden.
    Lopez war Mitte dreißig und ein gutaussehender, dunkelhäutiger Bursche mit stechenden blauen Augen, einem schmalen Oberlippenbart und einer Gummibadehaube aus glänzend schwarzem Haar. Er trug eine dünne Leinenhose und eine dunkelblaue Guayabera mit offenem Kragen, die dabei half, den ersten Ansatz eines Bierbauchs zu verbergen. Er rauchte lange Zigarillos von der Farbe und Form seiner langen, femininen Finger, und er erweckte den Eindruck einer sehr großen Katze, der man den Schlüssel zur größten karibischen Molkerei gegeben hatte.
    «Das vorhin tut mir wirklich sehr leid, mein Freund», begann er. «Lola und Carmen hätten nicht so unhöflich sein dürfen. Politik über grundlegende Höflichkeit zu stellen ist unverzeihlich, insbesondere bei Tisch. Wenn man sich schon nicht bei einer Mahlzeit zivilisiert unterhalten kann, welche Hoffnung gibt es dann auf eine ordentliche Debatte zu einem anderen Zeitpunkt?»
    «Vergessen Sie's. Ich bin dickhäutig, und es macht mir nicht viel aus. Abgesehen davon habe ich mich nie sonderlich für Politik interessiert, erst recht nicht für politische Diskussionen. Es scheint mir doch meist so zu sein, dass wir, indem wir anderen unsere Meinung aufzwingen, uns selbst zu überzeugen versuchen.»
    «Ja, da ist etwas Wahres dran, denke ich», räumte er ein. «Allerdings dürfen Sie nicht vergessen, dass wir Kubaner ein sehr leidenschaftliches Volk sind. Einige von uns sind bereits überzeugt.»
    «Wie steht es mit Ihnen?»
    «Ganz bestimmt. Viele von uns sind bereit, für die Freiheit in Kuba alles zu opfern. Tyrannei ist Tyrannei, ganz gleich, wie der Name des Tyrannen lautet.»
    «Vielleicht ergibt sich eines Tages die Gelegenheit, Sie an diese Worte zu erinnern - wenn erst Ihr Kandidat der Tyrann geworden ist.»
    «Fidel? Oh, er ist kein übler Bursche, wirklich nicht. Wenn Sie ein wenig mehr über ihn wüssten, wären Sie vielleicht ein wenig wohlwollender, was unsere Sache betrifft.»
    «Das bezweifle ich. Die Diktatoren von morgen sind in aller Regel die Freiheitskämpfer von heute.»
    «Nein, wirklich nicht. Castro ist ganz anders, mein Herr. Es geht ihm nicht um seinen eigenen Vorteil.»
    «Hat er Ihnen das gesagt? Oder haben Sie seine Kontoauszüge gesehen?»
    «Nein, mein Herr. Aber ich habe das hier gesehen.»
    Lopez öffnete die Tür seines Wagens und nahm ein dünnes Büchlein aus einer Aktentasche. Er hatte noch Dutzende mehr in der Tasche. Und eine große automatische Pistole. Ich nahm an, dass er sie für den Fall bei sich trug, dass anständige, zivilisierte politische Debatten einfach nicht funktionierten. Er hielt mir das Büchlein, das eigentlich mehr ein Heft war, mit beiden Händen hin, als wäre es etwas ganz besonders Kostbares. Wie der Assistent eines Auktionators, der einem Raum voller potenzieller Bieter ein seltenes Stück zeigt. Das Deckblatt der Broschüre zeigte das Bild eines recht beleibten jungen Mannes, nicht unähnlich Lopez selbst, mit einem schmalen Schnurrbart und tiefliegenden dunklen Augen.
    Der Mann auf dem Deckblatt sah eher aus nach einem Bandleader als nach dem Revolutionär, über den ich in den Zeitungen gelesen hatte.
    «Das ist ein Abdruck der Ansprache, die Fidel Castro bei seiner Gerichtsverhandlung im vergangenen November gehalten hat», sagte Lopez.
    «Die Tyrannei hat ihm also erlaubt zu sprechen», sagte ich. «Wenn ich mich recht entsinne, hat Richter Roland Freisler - der Hinrichter, wie sie ihn nannten - die Männer während des Prozesses niedergebrüllt, die versucht hatten, Hitler am 20. Juli 1944 in die Luft zu jagen. Bevor er sie aufs Schafott schickte. Eigenartigerweise erinnere ich mich auch nicht, dass einer von ihnen eine Ansprache gehalten hätte, geschweige denn; dass sie abgedruckt worden wäre.»
    Lopez ignorierte meinen Einwand. «Die Überschrift lautet: Die Geschichte wird mich freisprechen. Und wir sind gerade erst

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