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Die Adlon - Verschwoerung

Die Adlon - Verschwoerung

Titel: Die Adlon - Verschwoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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unverzüglich und lautstark, seinen Mandanten zu sehen,

    doch niemand hörte ihm zu. Irgendwo beschwor irgendjemand seinen guten Leumund und seine bis dato untadelige Führung und seine Unschuld an allem, was immer alles sein mochte. Ein Polizeibeamter hatte seinen schwarzen Ledertschako abgesetzt und zeigte einem Kollegen von der Schupo die große dunkelblaue Beule auf seinem kahlgeschorenen Schädel: wahrscheinlich nur ein Gedanke, der den vergeblichen Versuch unternommen hatte, aus dem bäuerlichen Hirn zu entweichen.
    Es war mir unbehaglich dabei, wieder im Alex zu sein. Unbehaglich, aber ich fand es auch aufregend. So musste sich Martin Luther gefühlt haben, als er vor dem Reichstag zu Worms gestanden und sich gegen den Vorwurf verteidigt hatte, die Kirchentür in Wittenberg verschandelt zu haben. So viele Gesichter, die ich noch kannte. Nicht wenige sahen mich an, als wäre ich der verlorene Sohn, andere schienen in mir eher das gemästete Kalb zu sehen, reif für die Schlachtbank.
    Berlin Alexanderplatz.
    Ich hätte Alfred Döblin die eine oder andere Geschichte erzählen können.
    Otto Trettin führte mich hinter den Empfangsschalter und beauftragte einen jungen Uniformierten, dass er meine Anzeige aufnehmen solle.
    Der Beamte war Mitte zwanzig und - unüblich nach Schupo-Standards - strahlte wie das Abzeichen auf seiner Munitionstasche. Er hatte noch nicht lange an meiner Aussage geschrieben, als er innehielt, sich auf die bereits recht abgekauten Fingernägel biss, eine Zigarette anzündete und wortlos zu einem Aktenschrank ging, der so groß war wie ein Mercedes und mitten im Raum stand. Der Beamte war größer, als ich gedacht hatte - und dünner. Er war noch nicht lange genug dabei, um Geschmack am Bier zu finden und sich einen Bauch anzutrinken wie ein echter Schupo. Er kam zurück, eine Akte in der Hand, in der er las - für sich genommen ein Wunder am Alex.
    «Dachte ich mir», sagte er, indem er Otto die Akte reichte und mich ansah. «Dieser Gegenstand, den Sie als gestohlen melden möchten, wurde bereits gestern von anderer Seite als gestohlen gemeldet. Ich habe die Anzeige selbst entgegengenommen.»
    «Chinesisches Kästchen aus geflochtenem, lackiertem Korb», sagte Otto, indem er die Akte überflog. «Fünfzig mal dreißig mal zehn Zentimeter groß.»
    Ich versuchte die Angaben in imperiale Maße umzurechnen und scheiterte.
    «Siebzehntes Jahrhundert, Mong-Dynastie.» Otto sah mich an. «Klingt das nach der verschwundenen Schachtel, Bernie?»
    «Ming-Dynastie», sagte ich. «Es heißt Ming.»
    «Ming oder Mong, was macht das schon?»
    «Entweder ist es die gleiche, oder sie sind so alltäglich wie Brezeln. Wer hat den Diebstahl angezeigt?»
    «Ein gewisser Dr. Martin Stock», antwortete der junge Schupo. «Vom Museum für asiatische Kunst. Er war ziemlich aufgeregt deswegen.»
    «Wie hat er ausgesehen?», fragte ich.
    «Ach, Sie wissen schon. Genauso, wie man sich jemanden vorstellt, der in einem Museum arbeitet. Um die sechzig, grauer Schnurrbart, weißer Kinnbart, kahlköpfig, kurzsichtig, übergewichtig - er hat mich irgendwie an das Walross im Zoo erinnert. Er trug eine Fliege ...»
    «Das hab ich schon mal gesehen», sagte Otto. «Ein Walross, das eine Fliege trägt, meine ich.»
    Der junge Beamte lächelte und fuhr fort: «Gamaschen, nichts am Revers - kein Parteiabzeichen oder dergleichen, meine ich. Und er trug einen Anzug von Bruno Kuczorski.»
    «Jetzt gibt er aber an», sagte Otto.
    «Keineswegs. Ich habe das Etikett auf der Innenseite seiner Jacke gesehen, als er sein Taschentuch hervornahm, um sich die Stirn abzuwischen. Ein ziemlich nervöser Bursche.»
    «Welchen Eindruck hatten Sie?»
    «Er wirkte, als hätte er ein Geodreieck verschluckt.»
    «Wie heißen Sie, mein Junge?», fragte Otto den jungen Beamten.
    «Heinz Seldtke.»
    «Nun, Kollege Seldtke, meiner Meinung nach sollten Sie diesen Schreibtischposten hier den dicken alten Männern überlassen und ein richtiger Polizist werden.»
    «Danke sehr, Herr Trettin.»
    «Also, Bernie, was hat das jetzt zu bedeuten?», fragte er an mich gewandt. «Wollen Sie mich zum Affen machen?»
    «Ich bin derjenige, der sich wie ein Affe fühlt.» Ich zupfte die Blätter mitsamt Kohlepapier aus Seldtkes Schreibmaschine und knüllte sie zusammen. «Ich denke, ich sollte vielleicht gehen und jodle ein wenig in den Wald. Mal sehen, was das Echo sagt.» Ich nahm Dr. Stocks Anzeige aus der Polizeiakte. «Was dagegen, wenn ich mir das hier

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