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Die Adlon - Verschwoerung

Die Adlon - Verschwoerung

Titel: Die Adlon - Verschwoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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schätze, es hat etwas mit der Weissagerei zu tun. Hitler will einfach nicht, dass wir die Zukunft sehen, die er für Deutschland geplant hat.»
    «Entweder das, oder es ist der Preis für Wäscheklammern.» Schließlich gingen Zigeuner von Haus zu Haus und verkauften Wäscheklammern.
    Otto zog einen hübschen goldenen Pelikan aus der Innentasche und schrieb einen Namen und eine Adresse auf ein Blatt Papier. «Emil ist nicht billig, also lassen Sie sich nicht hinreißen von der Neigung Ihrer Sippschaft, um jeden Pfennig zu feilschen in der Annahme, er wäre ihn nicht wert. Weil er ihn nämlich wert ist. Sagen Sie ihm auf jeden Fall, dass ich Sie geschickt habe, und erinnern Sie ihn nötigenfalls daran, dass er nur deswegen nicht im Schlag sitzt, bis er schwarz wird, weil ich seine Akte verlegt habe. Ich habe sie nämlich an einem Ort verlegt, wo ich sie jederzeit wiederfinden kann.»
    Der «Schlag» war das Kriminalgericht und Gefängnis von Moabit, und weil Moabit ein Arbeiterbezirk war, hatte jemand das Gefängnis einmal beschrieben als einen «kaiserlichen Schlag in das Gesicht des Berliner Proletariats». Zweifellos war ein Schlag ins Gesicht mehr oder weniger garantiert, wenn man in den Schlag kam - ohne Ansehen der sozialen Herkunft. Moabit war ohne Frage das härteste Kittchen von Berlin.
    Otto erzählte mir noch ein paar Einzelheiten aus Emil Linthes Akte, sodass ich ihn gegebenenfalls ordentlich unter Druck setzen konnte.
    «Danke, Otto.»
    «Diese Straftat im Adlon», sagte er. «Irgendwas von Interesse für mich? Vielleicht ein hübsches junges Ding, das ungedeckte Schecks ausgegeben hat?»
    «Ein kleiner Fisch für einen Mann von Ihrem Kaliber, Otto. Eine antike Schachtel, die einem der Gäste gestohlen wurde. Abgesehen davon habe ich schon herausgefunden, wer der wahrscheinliche Täter ist.»
    «Noch besser, dann kann ich die Lorbeeren einheimsen. Wer war es?»
    «Eine Stenotypistin von irgend so einem Ami-Angeber. Eine junge jüdische Frau, die Berlin bereits verlassen hat.» «Gut aussehend?»
    «Vergessen Sie's, Otto. Sie ist nach Hause gefahren, nach Danzig.»
    «Danzig klingt gut. Ich könnte zur Abwechslung eine Dienstreise vertragen.» Er leerte sein Glas. «Kommen Sie, wir gehen wieder rüber. Sobald Sie Ihre Anzeige erstattet haben, fahre ich los. Ich frage mich, warum sie nach Danzig gefahren ist? Ich dachte, die Juden würden Danzig verlassen? Gerade jetzt, wo die Nazis die Mehrheit geholt haben. Sie mögen nicht mal Berliner in Danzig.»
    «So wie überall in Deutschland. Wir laden das ganze Land zu Freibier ein, und sie hassen uns trotzdem.» Ich leerte mein Glas. «Der Rasen auf der anderen Seite des Zauns ist wohl immer der grünere, schätze ich.»
    «Ich dachte, alle wüssten, dass Berlin die toleranteste Stadt in Deutschland ist. Es ist die einzige Stadt, die toleriert, dass die Regierung dort ihren Sitz hat. Aber Danzig ... ich bitte Sie.»
    «Dann sollten wir uns besser beeilen, bevor sie ihren Irrtum bemerkt und umkehrt.»
     

Kapitel 7
    Der Empfangsschalter in der Eingangshalle des Alex ähnelte wie üblich einer Massenszene von Hieronymus Bosch. Eine Frau mit einem Gesicht wie Erasmus und einer rosigen Schweinsblase von einem Hut brachte einen Einbruchdiebstahl zur Anzeige bei einem Unterwachtmeister, dessen übergroße Segelohren aussahen, als hätten sie mal jemand anderem gehört, bevor sie abgeschnitten und zusammen mit einem Bleistift und einer ungerauchten Selbstgedrehten rechts und links an seinem Kopf angenäht worden waren. Zwei atemberaubend hässliche Strolche - die blutigen Visagen stumpf und bösartig, die Hände hinter den sich windenden Rücken gefesselt - wurden in den schwach erleuchteten Korridor halb gezerrt, halb gestoßen, der nach unten zu den Zellen führte, wo einem unter Umständen ein Stellenangebot vonseiten der SS unterbreitet wurde. Eine Reinemachefrau mit einer brennenden Zigarette zwischen den Lippen gegen den Gestank und einem unübersehbaren Damenbart wischte eine Lache Erbrochenes vom kackbraunen Linoleumboden. Ein verloren dreinblickender Knabe, das schmutzige Gesicht streifig von Tränen, saß verängstigt unter einem riesigen Spinnennetz in einer Ecke und schaukelte auf seinem dürren Hinterteil, während er sich wahrscheinlich fragte, ob man ihn gegen Kaution laufenlassen würde. Ein blasser Anwalt mit Kaninchenaugen und einer Aktentasche so groß wie das wohlgenährte Schwein, dessen Haut benutzt worden war, um sie zu nähen, verlangte

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