Die Adlon - Verschwoerung
nicht mehr. Wenn Sie mir folgen können. Heutzutage liegt alle Macht in den Händen der Armee und der Polizei. Weswegen Batista denkt, dass er das Ziel von Attentätern ist. In gewisser Hinsicht ist das auch genau seine Aufgabe - die Aufmerksamkeit von anderen abzulenken. Manchmal ist es besser, einen bestimmten Schein zu erwecken, als ihm in Wirklichkeit zu entsprechen. Meinen Sie nicht?»
«Capitän, was Sie da sagen, ist, kurz gefasst, die Geschichte meines Lebens.»
Kapitel 18
Ein paar Tage später war ich im Tropicana und verfolgte die Show, während ich darauf wartete, mit den Cellini-Brüdern zu reden.
Nacktes Fleisch lautete der Tagesbefehl für die Darstellerinnen, und zwar jede Menge. Sie gaben sich alle Mühe, das Ganze glamouröser wirken zu lassen, indem sie eine Reihe sorgfältig platzierter Pailletten und Dreiecke trugen, doch das Resultat war mehr oder weniger das Gleiche: Schinken mit Käse darauf, ganz egal, wie man es zubereitete. Die meisten der Chorknaben sahen aus, als wären sie glücklicher in einem Cocktailkleid gewesen. Die meisten der Chormädchen sahen aus, als wären sie alles andere als glücklich. Sie alle lächelten, doch das Lächeln auf ihren starren Gesichtern war ihnen in der Puppenfabrik aufgepresst worden. Sie tanzten mit all der joie de vivre von Kindern, die wussten, dass eine schiefgegangene Pirouette oder ein schlecht abgepasster Sprung ihnen einen Einwegfahrschein zurück nach Matanzas einbrachte oder aus welcher heruntergekommenen Bauerngemeinde sie auch sonst immer stammten.
Das Tropicana stand in einem Vorstadtbezirk von Havanna auf dem Grundstück einer ehemaligen Villa mitten in einem großen Park. Die Villa hatte dem amerikanischen Botschafter in Kuba gehört und war längst abgerissen worden. Heute erhob sich hier ein Betonklotz mit einem Glasdach, was die Illusion einer wilden, ungezähmten Show unter freiem Sternenhimmel erzeugte. Gleich neben dem modernen Amphitheater, das aussah wie etwas aus einem pornographischen Science-Fiction-Film, befand sich ein kleineres Gebäude, ebenfalls mit gläsernem Dach, das ein Kasino beherbergte. Hier gab es sogar einen privaten Salon mit einer gepanzerten Tür, hinter der Angehörige der Regierung dem Glücksspiel nachgehen konnten, ohne ein Attentat fürchten zu müssen.
All das interessierte mich genauso wenig wie die Show oder die Musik. Ich beobachtete nur die Asche an der Spitze meiner Zigarette oder die Gesichter der Arschlöcher an den anderen Tischen: Frauen mit nackten Schultern und zu viel Make-up in den Gesichtern, Männer mit Vaseline in den Haaren, angeklipsten Krawatten und Anzügen von Cricketeer. Ein paar Mal zogen die Showgirls in einer Parade um die Tische, sodass man einen genaueren Blick auf ihre Kostüme werfen und sich fragen konnte, wie so winzige Stofffetzen ein Mädchen anständig bekleiden sollten. Meine Augen brannten immer noch voller Staunen, als ich zu meiner Überraschung Noreen Eisner erblickte. Sie schob sich zwischen den Tischen hindurch und kam direkt in meine Richtung, und indem sie einem Mädchen auswich, das nur aus Brüsten und Federn zu bestehen schien, nahm sie mir gegenüber Platz.
Noreen war wahrscheinlich die einzige Frau im Tropicana, die weder ein Dekolletee noch den gesamten Oberkörper zur Schau stellte. Sie trug ein zweiteiliges lavendelfarbenes Kostüm mit aufgesetzten Taschen, dazu hochhackige Schuhe und eine Perlenkette.
Die Kapelle spielte zu laut, als dass sie etwas sagen oder ich es hätte verstehen können, also saßen wir nur stumm da und trommelten ungeduldig mit den Fingern auf dem Tisch, während wir auf eine Pause warteten. So hatte ich reichlich Zeit zu überlegen, was so dringend sein mochte, dass sie den ganzen Weg von der Finca La Vigia bis hierher gefahren war. Ich zweifelte stark daran, dass ihr Hiersein zufällig war. Ich nahm an, dass sie vorher bei mir zu Hause gewesen war und dass Yara ihr gesagt hatte, wo sie mich finden konnte. Vielleicht hatte Yara sich auch wütend darüber ausgelassen, dass ich sie nicht ins Tropicana mitgenommen hatte.
Ich hoffte, dass Noreen gekommen war, um mir zu sagen, was ich hören wollte. Ernst genug sah sie aus. Und nüchtern obendrein.
Zur Abwechslung. Sie trug eine marineblaue perlenbestickte Abendtasche mit einem floralen Chintzmuster. Sie öffnete die silberne Schließe, nahm eine Packung Old Gold hervor und steckte sich mit einem perlmuttgrau lackierten, mit kleinen Strasssteinen besetzten Feuerzeug eine
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