Die Adlon - Verschwoerung
mit Piano nach Kräften, die Herkulesstatue zu ignorieren, die nach etwas mehr Kräftigerem zu verlangen schien als einer Auswahl von Mozart und Schubert. Ich fühlte mich selbst ein wenig wie Herkules bei seiner Rückkehr nach Mykene, nachdem er eine sinnlose Arbeit hinter sich gebracht hatte.
«Ja, vielleicht», sagte ich. «Trotzdem, ich glaube nicht, dass es eine gute Idee war von mir, mich so einzumischen. Ich hätte sie ihre Arbeit tun lassen sollen und fertig. Ich hätte wissen müssen, dass sie einen Preis verlangen.»
Behlert blickte mich verwirrt an. «Was für einen Preis? Sie meinen doch wohl nicht ... ?»
«Nicht vom Hotel», fügte ich hinzu, «sondern von mir.» Und um den bestürzten Ausdruck in seinem glatten, glänzenden Gesicht zu sehen, erzählte ich ihm von Liebermann von Sonnenberg und dem Toten in der Charite.
«Beim nächsten Mal ...», schloss ich, «... das heißt, falls es ein nächstes Mal gibt, werde ich bestimmt nicht mehr versuchen, den Gang einer polizeilichen Ermittlung zu beeinflussen. Es war naiv von mir zu glauben, dass es möglich ist. Und warum das alles? Wegen irgendeinem fetten Kerl in Zimmer 210, dem ich nie begegnet bin. Warum sollte ich mir Gedanken machen wegen seiner Frau? Vielleicht hat sie ihn gehasst? Und falls nicht, sollte sie es. Es geschähe ihm verdammt recht. Er hätte an sie denken sollen, bevor er anfing, sich in Berlin mit einem Freudenmädchen zu amüsieren.»
«Aber Sie haben das doch getan, um den guten Ruf des Hotels zu schützen», sagte Behlert, als wäre das alles an Rechtfertigung, was es brauchte.
«Ja. Vermutlich.»
Er war inzwischen aufgesprungen und zu einem Bartisch gegangen, wo er einen Glasstopfen von einer Karaffe mit dem guten Zeug nahm und uns beiden etwas in fingerhutgroße Gläschen schenkte.
«Hier, trinken Sie das. Es sieht so aus, als könnten Sie es brauchen.»
«Danke, Georg.»
«Was wird nun aus ihm?»
«Meinen Sie Rubusch?»
«Nein, ich meine den armen Kerl im Leichenschauhaus.» «Wollen Sie das wirklich wissen?»
«Bei einem unidentifizierten Leichnam geht man normalerweise so vor, dass er zum anatomischen Institut der Universität gebracht wird, wo man die Studenten darauf loslässt.»
«Angenommen, die Ermittlungen fördern seine wahre Identität zutage?»
«Es wird keine Ermittlungen geben. Nicht mehr, jetzt, da wir - ich meine, ich festgestellt habe, dass er Jude war. Die Berliner Polizei will nichts von toten Juden wissen. Man will keine Zeit an ihnen verschwenden. Soweit es die Polizei betrifft, wird sie dem Mörder - falls der Tote ermordet wurde, wovon ich nicht felsenfest überzeugt bin - eher gratulieren als ihn zur Rechenschaft ziehen.»
Behlert kippte seinen exzellenten Klaren hinunter und schüttelte ungläubig den Kopf.
«Ich erfinde das alles nicht», sagte ich. «Ich weiß, es scheint unglaublich, aber es ist alles wahr. Ich schwöre es, bei Gott.»
«Ich glaube Ihnen, Bernie. Ich glaube Ihnen.» Er seufzte. «Einer der Gäste ist soeben aus Bayern zurückgekehrt. Er ist britischer Jude. Aus Manchester. Es scheint, dass er ein Straßenschild gesehen hat, auf dem etwas Ähnliches stand wie: gefährliche kurve, Höchstgeschwindigkeit 50 stundenkilometer, juden schneller fahren. Was sollte ich ihm sagen? Dass es wahrscheinlich ein kranker Witz war. Doch ich wusste, dass es keiner war. In meiner Heimatstadt Jena gibt es ein ähnliches Schild draußen vor dem ZeiSS-Planetarium, das eine neue Heimat für die Juden auf dem Mars vorschlägt. Und das Schreckliche daran ist, sie meinen es ernst. Einige unserer Gäste sagen, dass sie nie wieder nach Deutschland zurückkommen wollen. Dass wir nicht länger das tolerante, rücksichtsvolle Volk sind, das wir einmal waren. Nicht einmal die Berliner.»
«Heutzutage ist ein rücksichtsvoller Deutscher jemand, der nicht allzu früh am Morgen an Ihre Tür klopft, damit Sie nicht denken, er wäre von der Gestapo.»
Ich übergab ihm den Brief, in dem Muller seine Stelle als Hoteldetektiv des Adlon kündigte. Er las ihn und legte ihn auf seinen Schreibtisch.
«Ich kann nicht sagen, dass ich überrascht wäre oder dass es mir leidtäte. Ich hatte bereits seit einer ganzen Weile meine Vermutungen über diesen Mann. Für Sie heißt das natürlich, dass es mehr Arbeit gibt. Zumindest so lange, bis wir geeigneten Ersatz gefunden haben. Weswegen ich Ihr Gehalt erhöhen werde. Wie klingen zehn Mark zusätzlich jede Woche?»
«Es ist kein Vermögen, aber ich schätze, es
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