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Die Adlon - Verschwoerung

Die Adlon - Verschwoerung

Titel: Die Adlon - Verschwoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Zettels.
    Börners Gesicht war genauso leer. «Könnte das sein Name und seine Anschrift gewesen sein?»
    «Könnte sein - wenn er ein zehnjähriger Knabe gewesen wäre, dessen Mutter sich Sorgen machte, er könnte sich verlaufen.»
    «Schön, was bedeutet es dann?»
    «Es bedeutet, dass Ihr erster Verdacht sich hiermit bestätigt. Ich denke, dieser Streifen Papier war ein Fragment aus der Tora.» «Der was?»
    «Wenn Gott ein Deutscher ist, würde es mich nicht im Geringsten überraschen. Er genießt es, sich anbeten zu lassen, den Menschen zehn Gebote auf einmal aufzuhalsen, und hat ein vollkommen unlesbares Buch geschrieben. Aber der Gott dieses Mannes hier war ein anderer. Jahwe. Juden nähen manchmal einen Streifen Papier mit einem Wort ihres Gottes in ihre Kleidung, in die Nähe des Herzens. Sie hatten recht, Richard - dieser Mann hier war ein Jude.»
    «Scheiße! Gottverdammte Scheiße!»
    «Das meinen Sie ernst, wie?»
    «Ich sagte Ihnen bereits, Gunther - der Chef wird niemals seine Zustimmung geben, den Tod eines Juden aufzuklären. Verdammter Mist. Ich dachte, das wäre eine Chance für mich, etwas zu beweisen. Dass ich eine ordentliche Morduntersuchung durchführen kann, verstehen Sie?»
    Ich schwieg. Es lag nicht daran, dass ich sprachlos gewesen wäre, sondern mir war nicht danach zumute, etwas zu sagen. Was hätte es auch für einen Sinn gehabt?
    «Ich bin nicht verantwortlich für die Politik der Polizei, Gunther», sagte Börner. «Nicht mal Liebermann von Sonnenberg steckt dahinter. Wenn Sie es wirklich wissen wollen, es kommt von ganz oben, aus dem Innenministerium. Von Frick. Und Frick bekommt seine Anweisungen von Göring, der sie wiederum vom ...»
    «Vom Teufel persönlich erhält, ich weiß.»
    Plötzlich sehnte ich mich weit weg von Richard Börner und seinen hochfliegenden forensischen Ambitionen. Mir war mit einem Mal klargeworden, dass sich bei der Polizei noch viel mehr geändert hatte, als ich vorher für möglich gehalten hätte. Ich konnte nicht einmal dann wieder zurück zum Alex, wenn ich es gewollt hätte.
    «Ich denke, es gibt noch andere Morde, Richard. Ich bin sogar absolut sicher. Zumindest in dieser Hinsicht können Sie sich voll und ganz auf die Nazis verlassen.»
    «Sie verstehen das nicht, Gunther. Ich möchte ein richtiger Detektiv sein, wie in den Geschichten. Das ist alles, was ich jemals wollte. Ein richtiger Detektiv, wie Sie einer waren. Aber Polizeistaaten sind schlecht für das Verbrechen und für Verbrecher - weil heutzutage jeder in Deutschland ein Polizist ist. Und wenn er es noch nicht ist, dann wird er es bald sein.» Er trat gegen die Laborbank und fluchte erneut.
    «Richard, Sie tun mir beinahe leid, wirklich.» Ich nahm die Akte des toten Mannes und reichte sie zurück. «Ich kann nicht sagen, dass es mir keinen Spaß gemacht hätte. Ich habe meine Arbeit vermisst. Ich habe sogar meine Kundschaft vermisst. Soll man das für möglich halten? Aber von heute an werde ich meine Arbeit vermissen wie den Lustgarten - was so viel heißt wie überhaupt nicht. Es ist nicht mehr dasselbe wie früher, verstehen Sie? Ganz und gar nicht mehr dasselbe. Wenn jemand ermordet wird - ganz egal, wer er war -, dann wird ermittelt. Man ermittelt, weil es das ist, was man tut, wenn man in einer anständigen Gesellschaft lebt. Und wenn man es nicht tut, wenn man sagt, dass der Tod eines Mitmenschen nicht wert ist, untersucht zu werden, dann ist die Arbeit selbst es nicht mehr wert, gemacht zu werden. Nicht mehr.»
    Ich hielt ihm die Akte entgegen, doch er sah gar nicht hin.
    «Nur zu», sagte ich. «Nehmen Sie sie. Sie gehört Ihnen.»
    Doch wir wussten beide, dass es nicht so war.
    Er verlor kein weiteres Wort, wandte sich um und verließ das Labor, ohne die Schachtel noch eines Blickes zu würdigen.
    Ein paar Monate später erfuhr ich von Erich Liebermann von Sonnenberg, dass Richard Börner die Kripo verlassen hatte und der SS beigetreten war. Zum damaligen Zeitpunkt sah es danach aus, als wäre das beruflich der schlauere Schritt gewesen.
     

Kapitel 12
    «Die beiden Beamten von der Kripo waren sehr höflich», berichtete mir Georg Behlert nach meiner Rückkehr ins Hotel. «Frau Adlon ist äußerst dankbar für die umsichtige Art und Weise, mit der Sie diese ganze Angelegenheit behandelt haben. Ausgezeichnet, Herr Gunther, gut gemacht.»
    Wir saßen in Behlerts Büro mit Aussicht auf den Goethe-Garten. Durch die offenen Türen des angrenzenden Palmenhofs bemühte sich ein Trio

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