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Die Adlon - Verschwoerung

Die Adlon - Verschwoerung

Titel: Die Adlon - Verschwoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Fingers. Und sehen Sie diese Beule?» Ich zeigte Börner die Beule, die sich über den Handrücken bis hinunter zum Knöchel des kleinen Fingers zog. Dann ließ ich die linke Hand zurücksinken und hob die rechte hoch. «Hier ist es noch deutlicher zu erkennen. Das ist ein weitverbreiteter Bruch bei Boxern. Ich würde sagen, dieser hier war ein Rechtsausleger. Das sollte den Kreis der infrage kommenden Personen einigermaßen eingrenzen. Außerdem hat unser Mann seit einer Weile nicht geboxt. Sehen Sie den Dreck unter seinen Fingernägeln? Kein Boxer würde das tolerieren. Abgesehen davon, dass der Pathologe den Dreck nicht ausgekratzt hat, um ihn zu untersuchen - kein Ermittler sollte diese Nachlässigkeit tolerieren. Wenn der Mediziner seine Arbeit nicht richtig macht, dann ist es Ihre Aufgabe, ihm den Kopf zu waschen.»
    Ich zückte mein Taschenmesser und einen Umschlag vom Adlon mit Mullers Entlassungsgesuch darin und kratzte den Dreck unter den Fingernägeln des Toten hinein.
    «Ich verstehe nicht, was ein paar Krumen Dreck uns über den Toten verraten sollen», sagte Börner.
    «Wahrscheinlich nichts. Aber Indizien kommen selten in großen Mengen daher. Und sie sind nahezu ausnahmslos dreckig. Vergessen Sie das nie. Jetzt muss ich nur noch die Kleidung des Toten sehen. Und ich brauche für ein paar Minuten ein Mikroskop.» Ich blickte mich suchend um. «Wenn ich mich recht entsinne, gibt es irgendwo auf dieser Etage ein Labor.»
    Börner zeigte auf eine Tür. «Dort.»
    Während er loszog, um die Kleidung des Toten zu holen, schüttete ich die Dreckkrumen von den Fingernägeln vorsichtig in eine Petrischale und begutachtete sie für eine Weile unter einem Mikroskop. Ich mochte kein Wissenschaftler sein und kein Geologe, doch ich erkannte Gold, wenn ich es sah. Es war nur ein winziger Krümel, doch er reichte aus, um das Licht einzufangen und meine Aufmerksamkeit. Und als Börner mit einer Pappschachtel in das Labor kam, berichtete ich ihm, was ich herausgefunden hatte, auch wenn ich wusste, wie er darauf reagieren würde.
    «Gold, wie? Ein Juwelier vielleicht? Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass der Mann ein Jude war.»
    «Wie ich bereits sagte, Richard, dieser Mann war ein Boxer. Mit großer Wahrscheinlichkeit hat er auf einer Baustelle gearbeitet. Das würde den Dreck unter seinen Fingernägeln erklären.»
    «Und das Gold?»
    «Draußen im Dreck ist der beste Ort, um nach Gold zu suchen - außer in Goldschmieden.»
    Ich öffnete die Pappschachtel und fand die Kleidung eines Arbeiters. Ein paar stabile Stiefel. Einen dicken Ledergürtel. Eine Lederkappe. Das billige Flanellhemd interessierte mich schon mehr, weil es keine Knöpfe mehr hatte und das Material an den Stellen, wo sie eigentlich hätten sitzen sollen, kleine Risse zeigte.
    «Jemand hat dieses Hemd in großer Hast aufgerissen», sagte ich. «Höchstwahrscheinlich, als sein Herz aufgehört hat zu schlagen. Es sieht so aus, als hätte jemand versucht, ihn wiederzubeleben, nachdem er ertrunken war. Das Hemd wurde aufgerissen, um sein Herz zum Schlagen zu bringen. Und zwar mit einem heißen Eisen. Es ist ein alter Trick bei Boxtrainern. Hat mit der Hitze und dem Schmerz zu tun, denke ich. Jedenfalls erklärt es die Verbrennung.»
    «Wollen Sie damit sagen, jemand hat diesen Mann ins Wasser geworfen und anschließend versucht, ihn wiederzubeleben?»
    «Er wurde jedenfalls nicht in die Spree geworfen - das haben Sie mir selbst gesagt. Er muss irgendwo anders ertrunken sein. Und erst danach hat jemand versucht, ihn wiederzubeleben. Als er keinen Erfolg mit seinen Bemühungen hatte, wurde der Tote in die Spree geworfen. Das ist die Kausalkette, aber wir wissen nicht, warum jemand so etwas tun würde. Noch nicht.» «Interessant.»
    Ich nahm die Jacke des Toten in Augenschein. Eine billige Cordjacke von C&A. Der Saum war aus irgendeinem Grund geöffnet und wieder zugenäht worden. Als ich das Material unter der Brusttasche betastete, fühlte ich, wie zwischen meinen Fingern etwas knitterte. Ich nahm erneut mein Taschenmesser hervor, trennte ein paar der Stiche entlang der Naht auf und zog ein gefaltetes Papier hervor. Vorsichtig faltete ich es auseinander, bis ich ein Blatt von der Größe eines Schullineals ausgebreitet neben dem Mikroskop liegen hatte. Nachdem es in der Spree durchgeweicht war, hatte sich die Schrift auf dem Papier für immer verflüchtigt. Das Blatt war mehr oder weniger weiß. Doch es bestand kein Zweifel an der Bedeutung dieses

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