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Die Adlon - Verschwoerung

Die Adlon - Verschwoerung

Titel: Die Adlon - Verschwoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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gehen wir in die Oper.»
    «Und was sehen Sie sich an?»
    Sie lächelte treuherzig. «Ich habe nicht die geringste Ahnung, Herr Gunther. Ich weiß nichts über die Oper.» «Ich auch nicht.»
    «Ich nehme an, ich werde es hassen. Aber Max möchte, dass ich während der Pause ein Diktat aufnehme.»
    «Und wie steht es mit Ihnen, Herr Krempel? Was machen Sie während der Pause? Ein paar Töne ermorden, weil gerade niemand anderes zur Verfügung steht?»
    «Kennen wir uns?», fragte er und würdigte mich kaum eines flüchtigen Blickes. Sein Flüstern klang so rau und böse, als hätte er die Stimmbänder mit Sandpapier geschmirgelt und dann in brennendem Kerosin mariniert.
    «Sie kennen mich nicht, Herr Krempel. Ich kenne Sie sehr gut.»
    Krempel war groß gewachsen, breitschultrig und hatte schwarze, tote Augen wie ein Hai. Dichtes rötliches Haar wuchs auf einem Schädel, der so riesig war wie der Panzer einer Galapagos-Schildkröte und wahrscheinlich genauso dick. Sein Mund erinnerte an eine alte Narbe auf einem Fußballer-Knie. Finger wie Schrottplatz-Haken ballten sich schon jetzt zu Fäusten von Abrissbirnengröße. Er sah durch und durch aus wie ein richtiger Schläger, und wenn die Deutsche Arbeiterfront ein Referat für Einschüchterung und Nötigung gehabt hätte, hätte Gerhard Krempel dort zweifelsohne eine führende Position innegehabt.
    «Sie müssen mich mit jemandem verwechseln», sagte er und unterdrückte ein Gähnen.
    «Aber ja. Ich nehme an, es ist die Abendgarderobe. Für einen Moment dachte ich tatsächlich, Sie wären einer von diesen sa-Schlägern.»
    Max Reles schien meine Bemerkung gehört zu haben, denn er bedachte mich mit einem finsteren Blick, bevor er sich wieder zu Noreen umwandte.
    «Macht Ihnen dieser Tellerwäscher hier Scherereien?», wollte er von ihr wissen - auf Deutsch, damit ich ihn auch ja verstand.
    «Ganz und gar nicht», entgegnete sie. «Herr Gunther war mir sehr behilflich.»
    «Tatsächlich?» Reles kicherte. «Muss wohl sein Geburtstag sein oder so was. Wie sieht es aus, Gunther - haben Sie heute gebadet oder wie?»
    Krempel hielt das für einen ausgezeichneten Witz.
    «Verraten Sie mir doch, ob Sie inzwischen mein chinesisches Kästchen gefunden haben? Oder die junge Frau, die es gestohlen hat?»
    «Die Angelegenheit ist in den Händen der Polizei, mein Herr. Ich bin sicher, sie unternimmt alles in ihrer Macht Stehende, um die Sache zu einem guten Ende zu bringen.»
    «Das ist sehr beruhigend. Sagen Sie mir doch, Gunther, was für ein Polizist waren Sie, bevor Sie angefangen haben, durch Schlüssellöcher in Hotelzimmer zu spannen? Jede Wette, Sie waren einer von denen, die mit diesen dämlichen Lederhelmen mit flachem Deckel herumgelaufen sind. Liegt das daran, dass alle deutschen Polizisten platte Köpfe haben, oder weil Sie einen kleinen illegalen Nebenjob haben und auf dem Kopf Fischkörbe zum Markt nach Friedrichshain tragen?»
    «Ich glaube, es ist beides», prustete Krempel.
    «In den Staaten nennen manche Leute die Polizei Plattfüße, weil viele von ihnen tatsächlich platte Füße haben», sagte Reles. «Allerdings gefallt mir sehr viel besser.»
    «Wir geben uns Mühe zu gefallen, mein Herr», erwiderte ich geduldig. «Meine Damen, meine Herren.» Ich wandte mich zum Gehen und tippte mir an die Hutkrempe. Reles zu ignorieren schien mir angebrachter, als ihm eine blutige Nase zu schlagen - nicht zuletzt deshalb, weil ich meine Anstellung im Adlon gern behalten wollte. «Haben Sie einen schönen Abend, Fräulein Bauer.»
    Ich schlenderte zum Empfang, wo Franz Joseph, der Concierge, in eine Unterhaltung mit Dajos Bela vertieft war, dem Dirigenten unseres Hotelorchesters. Ich sah in meinem Fach nach - ich hatte zwei Nachrichten. Eine stammte von Emil Linthe, der mich in Kenntnis setzte, dass seine Arbeit abgeschlossen war. Die andere kam von Otto Trettin, eine dringende Bitte, so schnell wie möglich zurückzurufen. Ich nahm den Hörer von der Gabel und ließ mich vom Vermittlungsdienst des Hotels mit dem Alex und Otto verbinden, der oft bis spätabends arbeitete (und dafür selten frühmorgens auf der Arbeit anzutreffen war).
    «Was gibt's Neues in Danzig?», meldete ich mich.
    «Das ist im Moment nicht so wichtig», antwortete er. «Erinnern Sie sich an den ermordeten Kollegen? August Krichbaum?»
    «Sicher», antwortete ich, machte eine Faust und biss mir auf die Knöchel.
    «Der Zeuge ist ein ehemaliger Polizist. Scheint so, als glaubt er, der

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