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Die Adlon - Verschwoerung

Die Adlon - Verschwoerung

Titel: Die Adlon - Verschwoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Noreen Charalambides war nicht die Einzige, die sich in Physik auskannte. Es gab ein dumpfes Geräusch, als ihre Handtasche aus ihrem Schoß glitt und auf dem Fußboden des Wagens landete. Ich öffnete die Augen und löste mich von ihrem Mund.
    «Die Schwerkraft funktioniert also noch», sagte ich. «So, wie sich mein Kopf anfühlt, hatte ich bereits ernsthafte Zweifel. Ich schätze, Newton kannte sich aus auf seinem Gebiet.»
    «Er wusste nicht alles. Ich wette, er wusste nicht, wie man eine Frau so küsst wie du.»
    «Das liegt wohl daran, dass er nie einer Frau wie dir begegnet ist, Noreen. Wäre es anders, hätte er vielleicht etwas Nützliches in seinem Leben angestellt. Wie das hier beispielsweise.»
    Ich küsste sie erneut, nur diesmal mit einer Dringlichkeit, als meinte ich es wirklich ernst mit dem, was ich tat. Vielleicht war es ja so - es war lange her, seit ich das letzte Mal so für eine Frau empfunden hatte. Mein Blick fiel aus dem Fenster und auf das Straßenschild, und ich erinnerte mich an das, was ich mir gesagt hatte, als ich in Hedda Adlons Wohnung zum ersten Mal mit Noreen gesprochen hatte: Noreen war die älteste Freundin meiner Chefin, und ich würde eher mit Hermann Göring schlafen, als auch nur einen Finger an sie zu legen. Wie es aussah, würde ich dem preußischen Ministerpräsidenten einen Besuch abstatten müssen.
    Ihre Zunge war inzwischen in meinem Mund, zusammen mit den bösen Vorahnungen und Ängsten, die ich herunterzuschlucken versuchte. Ich verlor die Kontrolle, vor allem über meine linke Hand, die unter ihrem Kleid war und sich mit ihrem Strumpfband vertraut machte und der kühlen, glatten Haut, über der es sich spannte. Erst als die Hand in den geheimen Raum zwischen ihren Schenkeln vordrang, packte sie Einhalt gebietend mein Handgelenk. Ich ließ sie meine Hand wegschieben, brachte meine Finger an den Mund und leckte daran.
    «Diese Hand. Ich weiß wirklich nicht, was manchmal in sie gefahren ist.»
    «Du bist ein Mann, Gunther. Das ist in sie gefahren.» Sie berührte meine Finger mit den Lippen. «Ich mag es, wenn du mich küsst. Du küsst sehr gut, weißt du das? Wenn es eine olympische Disziplin wäre, hättest du gute Chancen auf eine Medaille. Aber ich mag es nicht, wenn man die Dinge überstürzt. Ich möchte erst im Ring herumgeführt werden, bevor man mich besteigt. Und denk nicht mal im Traum daran, die Peitsche zu benutzen, wenn du im Sattel bleiben willst. Ich bin ein unabhängiger Geist, Bernhard Gunther. Wenn ich galoppiere, dann mit offenen Augen und weil ich es will. Ich werde keine Scheuklappen anhaben. Vielleicht werde ich überhaupt nichts anhaben.»
    «Sicher», sagte ich. «Ich hätte nichts anderes erwartet. Keine Scheuklappen, keine Kandare. Was würdest du dazu sagen, wenn ich dir hin und wieder einen Apfel gebe?»
    «Ich mag Äpfel», sagte sie. «Pass nur auf, dass ich dir nicht in die Finger beiße.»
    Ich ließ mich von ihr beißen. Es war schmerzhaft, doch ich genoss es. Schmerz, den sie mit zufügte, tat gut. Wir folgten elementaren Gesetzen - als wäre es von Anfang an so bestimmt gewesen. Abgesehen davon wussten wir beide, dass ich es ihr zurückzahlen würde, sobald wir uns unserer Kleidung entledigt haben würden und unsere verschwitzten, nackten Leiber beieinanderlagen. So ist es immer zwischen einem Mann und einer Frau. Ein Mann nimmt eine Frau. Eine Frau wird von einem Mann genommen. Es gibt keine reifliche Überlegung darüber, was fair und anständig wäre oder wohlgesittet. Über manche Dinge entscheidet die Natur ganz allein.
    Ich fuhr zurück zum Hotel und parkte den Wagen. Als wir durch die Eingangstür in die Halle kamen, begegneten wir Max Reles auf dem Weg nach draußen. Er war in Begleitung von Gerhard Krempel und Dora Bauer, und alle drei trugen Abendgarderobe. Reles sprach Noreen zuerst auf Englisch an, wodurch ich die Gelegenheit hatte, mich kurz mit Dora zu unterhalten.
    «Guten Abend, Fräulein Bauer», sagte ich höflich. «Guten Abend, Herr Gunther.» «Sie sehen bezaubernd aus.»
    «Danke sehr.» Sie lächelte. «Und nicht nur für Ihr Kompliment. Ich bin Ihnen ja so dankbar, dass Sie mir diese Arbeit besorgt haben.»
    «Es war mir ein Vergnügen, Fräulein Bauer. Behlert hat mir erzählt, dass Sie fast ausschließlich für Herrn Reles arbeiten?»
    «Max hat sehr viel für mich zu tun, ja. Ich glaube nicht, dass ich schon je so viel stenographiert und getippt habe. Nicht einmal, als ich noch bei Odol war. Aber heute Abend

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