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Die Adlon - Verschwoerung

Die Adlon - Verschwoerung

Titel: Die Adlon - Verschwoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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unbehaglichen Stunden am Alex, wo man mir Fragen über den Polizisten stellte, den ich getötet hatte, und anschließend darauf wartete, dass sie Otto Trettin fanden (er war im Zum), damit er meine Geschichte bestätigte.
    Als sie mich schließlich gehen ließen, fragte ich mich, ob die Angelegenheit damit erledigt war. Irgendwie glaubte ich nicht so recht daran, und deshalb war mir kaum zum Feiern zumute. Alles in allem war es eine ziemlich ernüchternde Erfahrung und eine Lektion, wie das Leben sie einem dann erteilt, wenn ohnehin vieles im Argen liegt.
    Trotzdem wollte ich immer noch unbedingt herausfinden, mit wem Max Reles seine Loge an diesem Abend teilte. Und weil ich gerade rechtzeitig zur Pause in der Oper eintraf, erstand ich eine Karte für einen Platz, von dem aus ich einen exzellenten Blick auf die Bühne hatte und - viel wichtiger noch - auf die Gäste in der Loge, die normalerweise für Hitler reserviert war. Bevor die Lichter ausgingen, konnte ich mir ein Opernglas von einer Dame ausleihen, die ganz in meiner Nähe saß, und einen eingehenderen Blick auf die Zuschauer in der Loge werfen.
    «Er ist nicht im Haus heute Abend», sagte die Dame.
    «Wer?»
    «Der Führer natürlich.»
    So viel war offensichtlich. Doch es waren andere Personen in der Loge, Gäste von Max Reles, führende Funktionäre der nsdap. Einer von ihnen war ein Mann Ende vierzig mit grauem Haar und dichten, dunklen Augenbrauen in einer braunen, militärisch aussehenden Jacke mit verschiedenen Orden und Medaillen einschließlich einem Eisernen Kreuz und einer Nazi-Armbinde, braunen Reithosen und Lederstiefeln.
    Ich gab ihr das Opernglas zurück. «Wissen Sie zufällig, wer dieser Parteifunktionär ist?»
    Die Frau warf einen kurzen Blick durch ihr Glas und nickte. «Von Tschammer und Osten.»
    «Der Reichssportführer?»
    «Genau der.»
    «Und der General hinter ihm?»
    «Von Reichenau.» Ihre Antwort kam ohne jedes Zögern. «Der Kahlköpfige ist Walther Funk vom Propagandaministerium.»
    «Ich bin beeindruckt», sagte ich anerkennend.
    Die Frau lächelte. Sie trug eine Brille. Sie war keine Schönheit, doch sie sah auf anziehende Weise intelligent aus. «Es gehört zu meiner Arbeit, zu wissen, wer diese Leute sind», sagte sie. «Ich bin Fotoredakteurin bei der Berliner Illustrirten Zeitung.» Sie blickte weiter angestrengt zur Loge, dann schüttelte sie den Kopf. «Den Großen kenne ich allerdings nicht. Den mit der dumpfen Visage. Und die attraktive junge Person in seiner Begleitung auch nicht. Die beiden scheinen die Gastgeber zu sein, aber sie ist entweder zu jung für ihn oder er zu alt für sie. Ich bin nicht ganz sicher, was von beidem zutrifft.»
    «Er ist Amerikaner», sagte ich. «Sein Name ist Max Reles. Die junge Frau ist seine Stenotypistin.»
    «Glauben Sie?»
    Ich borgte mir das Opernglas und sah erneut hindurch. Ich konnte keinerlei Anzeichen ausmachen, dass Dora Bauer mehr für Reles wäre als seine Sekretärin. Sie hielt einen Notizblock in den Händen und schien etwas aufzuschreiben. Auf der anderen Seite sah sie äußerst attraktiv und überhaupt nicht wie eine Stenotypistin aus. Die Halskette glitzerte wie der riesige Kronleuchter über uns. Während ich sie beobachtete, legte sie den Notizblock nieder, nahm eine Flasche Champagner aus dem Kühler und schenkte den anderen Gästen nach. Reles steckte sich eine Zigarre an. Der General lachte über einen Witz, den er selbst gerissen hatte, dann schielte er der zweiten Frau in den Ausschnitt. Allein das war den Anschaffungspreis eines eigenen Opernglases wert.
    «Sieht aus wie eine große Feier», bemerkte ich.
    «Wohl kaum», entgegnete sie. «Das hier ist Parzival.»
    Ich sah sie begriffsstutzig an.
    «Parzival dauert fünf Stunden.» Die Redakteurin der Berliner Illustrirten Zeitung warf einen Blick auf ihre Uhr. «Und nach der Pause sind es noch drei Stunden bis zum Ende.»
    «Danke für den Tipp», sagte ich und verließ das Theater.
     
     
    Ich kehrte ins Adlon zurück, nahm mir an der Rezeption einen Zentralschlüssel und stieg die Treppe zu Suite 114 hinauf. Die Zimmer rochen stark nach Zigarrenrauch und Eau de Cologne. Die Schränke waren voll mit maßgeschneiderten Anzügen und die Schubladen mit sauber gefalteten Hemden. Selbst seine Schuhe waren maßgefertigt von einer Firma in London. Allein beim Blick auf seine Garderobe kam in mir das Gefühl auf, den falschen Beruf zu haben. Auf der anderen Seite musste ich mir nicht erst ein Paar Schuhe von Max

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