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Die Adlon - Verschwoerung

Die Adlon - Verschwoerung

Titel: Die Adlon - Verschwoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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mindestens genauso viele Dinge, die ich lieber nicht wissen möchte.»
    Ich beendete das Gespräch, legte den Hörer zurück und blickte zu Franz Joseph hinunter. Sein richtiger Name war Gustav, doch mit seinem kahlen Schädel und dem dichten Backenbart besaß der Concierge des Adlon eine geradezu verblüffende Ähnlichkeit mit dem alten österreichischen Kaiser Franz Joseph, und deshalb wurde er von so gut wie allen im Hotel mit diesem Namen gerufen.
    «He, Franz Joseph. Haben Sie die Opernkarten für Herrn Reles für heute Abend besorgt?»
    «Reles?»
    «Der Amerikaner aus Suite einhundertvierzehn.»
    «Ja. Alexander Kipnis singt in Parzival den Gurnemanz. Die Karten waren schwer zu bekommen, selbst für mich. Kipnis ist Jude, verstehen Sie? Dieser Tage geschieht es nicht oft, dass man einen Juden Wagner singen hört.»
    «Ich nehme an, Kipnis hat eine der am wenigsten unliebsamen Stimmen im gegenwärtigen Deutschland.»
    «Sie sagen, Hitler sei dagegen.»
    «Wo spielt das Stück?»
    «Im Deutschen Opernhaus. In der Bismarckstraße.»
    «Wissen Sie vielleicht auch noch die Platznummern? Ich muss Herrn Reles unbedingt finden. Ich habe eine Nachricht für ihn.»
    «Der Vorhang geht in einer Stunde hoch. Er hat eine Loge auf der Galerie, linke Seite.»
    «Aus Ihrem Mund klingt es, als hätte das eine Bedeutung, Franz.»
    «Hat es auch. Es ist die gleiche Loge, die Hitler hat, wenn er die Oper besucht.»
    «Aber nicht heute Abend?»
    «Offensichtlich nicht, nein.»
    Ich kehrte in die Empfangshalle zurück. Behlert unterhielt sich mit zwei Männern. Ich hatte sie noch nie zuvor gesehen, doch ich wusste sogleich, dass es Kriminalbeamte waren. Zum einen legte Behlerts Benehmen den Schluss nahe: Er sah aus, als unterhielte er sich mit den beiden interessantesten Personen auf der ganzen Welt. Zum anderen verhielten die beiden sich, wie eben Kriminalbeamte sich verhalten: Sie blickten gelangweilt drein, zeigten keine Reaktion - außer, als Behlert über mich redete. Was ich daran erkannte, dass er in meine Richtung zeigte. Ein weiterer Grund, weshalb ich die beiden als Kriminaler erkannte: dicke Mäntel, schwere Stiefel und Schweißgeruch. Im Winter zogen sich sämtliche Berliner Polizisten an, als wären sie im Schützengraben - und sie rochen auch genauso. Behlerts rollte die Augen, als sie sich abwandten und mit gezückten Marken in meine Richtung kamen, während sie mich aus zusammengekniffenen Augen musterten - als hofften sie, ich würde ihnen die Freude machen und Fersengeld geben; auf diese Weise hätten sie sich dabei amüsieren können, mich zu jagen und zu erschießen oder es wenigstens zu versuchen. Ich konnte es ihnen kaum verdenken. Viele Berliner Verbrechen werden auf diese Weise gesühnt.
    «Bernhard Gunther?»
    «Der bin ich.»
    «Inspektor Rust und Inspektor Brandt, beide vom Alex.»
    «Stimmt, ich erinnere mich. Sie beide waren die Ermittler, die Liebermann von Sonnenberg mit den Ermittlungen zum Tod von Herrn Rubusch beauftragt hatte, nicht wahr? Aus dem Zimmer zweihundertzehn, richtig? Woran ist er denn nun gestorben? Ich habe es nie erfahren.»
    «Zerebrales Aneurysma», sagte einer der beiden.
    «Ein Aneurysma, wie? Bei so was kann man nie vorhersehen, was passiert, stimmt's? Im einen Moment hüpft man gesund und munter wie ein Floh durch die Gegend, und im nächsten liegt man im Graben auf dem Rücken und starrt in den Himmel hinauf.»
    «Wir würden Ihnen gerne ein paar Fragen stellen. Auf dem Alex.»
    «Sicher, warum nicht?»
    Ich folgte ihnen nach draußen in die kalte Nachtluft. «Geht es um den toten Rubusch?»
    «Das werden Sie erfahren, wenn wir dort sind», sagte Rust.
     
     
    Die Bismarckstraße hieß immer noch Bismarckstraße, und sie führte von der Westspitze des Tiergartens bis zur östlichen Grenze des Grunewald. Das Deutsche Opernhaus, früher Städtische Oper genannt, war vergleichsweise modern gebaut und eingerichtet. Nicht, dass mir das vorher aufgefallen wäre. Am Ende eines langen Arbeitstages brauchte ich in der Regel eine authentischere Erfahrung als die, sehr dicken Leuten dabei zuzusehen, wie sie auf der Bühne hin und her rennen und so tun, als wären sie Helden oder Heldinnen. Ich bevorzugte den Kempinski-Chor, eine Revue ansehnlicher junger Frauen in kurzen Röcken, die Ukulele spielten und schlüpfrige Lieder über bayrische Ziegenhirten sangen.
    Ich war kaum in der Stimmung für etwas, das sich selbst so wichtig nahm wie die Oper in Deutschland - nicht nach zwei

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