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Die Adlon - Verschwoerung

Die Adlon - Verschwoerung

Titel: Die Adlon - Verschwoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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verrückt.»
    «Ich ebenfalls», murmelte Mrs. Charalambides.
    «Ich verstehe allmählich ein paar Dinge», sagte ich. «Allerdings haben Sie ebenfalls recht, Rukeli. Es ist verrückt.» Ich steckte mir eine Zigarette an. «Während des Ersten Weltkrieges habe ich eine Menge dummer Dinge gesehen. Männer, die ohne jeden Grund getötet wurden. Eine unglaubliche Verschwendung von Leben. Und jede Menge Dummheit nach dem Krieg obendrein. Aber diese Sache mit den Juden und den Zigeunern, das ist der reinste Wahnsinn. Wie sonst sollte man das Unerklärliche erklären?»
    «Ich habe lange darüber nachgedacht», sagte Trollmann. «Sehr lange. Und nach allem, was ich im Boxring gesehen habe, bin ich zu einer Schlussfolgerung gelangt. Manchmal, wenn man einen Wettstreit gewinnen will, koste es, was es wolle, hilft es, den anderen zu hassen.» Er zuckte die Schultern. «Die Roma und Sinti. Die Juden. Homos und Rote. Die Nazis brauchen jemanden, den sie hassen können, das ist alles.»
    «Vermutlich haben Sie recht», sagte ich. «Aber ich mache mir Sorgen um all die armen Schweine, die die Nazis nicht leiden können.»
     

Kapitel 17
    Auf dem Rückweg zum Hotel Adlon dachte ich über die Dinge nach, die wir herausgefunden hatten. Gypsy Trollmann hatte versprochen, mir das Foto zu schicken, das alle Mitglieder des Sparta-Clubs zeigte, doch ich zweifelte nicht daran, dass er unseren toten Fritz aus der Mühlendamm-Schleuse richtig identifiziert hatte, genauso wenig wie an der Information, dass Isaac Deutsch Bauarbeiter beim Olympiastadion gewesen war. Das eine sagen, das andere tun - das war typisch für die Nazis. Wie dem auch sei, der Pichelsberg war weit weg vom Mühlendamm, mehr oder weniger am anderen Ende der Stadt. Und nichts von dem, was ich herausgefunden hatte, erklärte, wie das Salzwasser in Isaac Deutschs Lungen geraten war.
    «Sie reden zu viel, Gunther.»
    «Ich habe nachgedacht, Mrs. Charalambides. Was müssen Sie von uns Deutschen denken? Wir scheinen das einzige Volk auf der Welt zu sein, das sich die größte Mühe gibt, den schlimmsten Befürchtungen seiner Nachbarn gerecht zu werden.»
    «Bitte sagen Sie Noreen zu mir. Charalambides ist so ein langer Name, selbst in Deutschland.»
    «Ich weiß nicht, ob ich das tun kann. Schließlich sind Sie mein Brötchengeber. Zehn Mark am Tag verlangen eine gewisse professionelle Höflichkeit.»
    «Sie können wohl kaum weiter Mrs. Charalambides zu mir sagen, wenn Sie mich küssen.»

    «Werde ich das?»
    «Heute Morgen haben Sie Isaac Newton erwähnt. Deshalb denke ich: Ja, Sie werden mich küssen.» «Oh. Wie das?»
    «Newton hat drei Gesetze gefunden, um das Verhältnis zwischen zwei Körpern zu beschreiben. Ich schätze, er hätte ein viertes gefunden, hätte er Sie und mich gekannt, Bernhard. Sie werden mich küssen, daran besteht nicht der geringste Zweifel.»
    «Sie meinen, es gibt mathematische Formeln und dergleichen, um das zu beweisen?»
    «Seitenweise. Impuls, Kräfteungleichgewicht, Aktion und Reaktion. Es gibt genug Gleichungen für uns beide, um ein Bettlaken vollzuschreiben.»
    «Dann schätze ich, es hat keinen Sinn, wenn ich weiter versuche, den Gesetzen der Planetenbewegungen zu widerstehen, Noreen.»
    «Absolut keinen. Tatsächlich wäre es am besten, wenn Sie dem Impuls gleich auf der Stelle nachgeben könnten, für den Fall, dass das ganze verdammte Universum aus den Fugen gerät.»
    Ich lenkte an den Straßenrand, zog die Handbremse und beugte mich zu ihr hinüber. Für einen Moment wandte sie den Kopf zur Seite.
    «Hermann-Göring-Straße», sagte sie. «Hieß sie nicht früher anders?»
    «Budapester Straße.»
    «Das ist besser. Viel besser. Ich will mich daran erinnern, wo du mich zum ersten Mal geküsst hast. Und ich will nicht, dass Herrmann Göring in dieser Erinnerung vorkommt.»
    Sie drehte sich erwartungsvoll zu mir um, und ich küsste sie leidenschaftlich. Ihr Atem war schwanger von Zigaretten und eiskaltem Schnaps und Lippenstift und etwas tief aus ihrem Innern. Sie schmeckte besser als zart gesalzene Butter auf frisch gebackenem Brot. Ich spürte ihre Wimpern an meiner Wange wie die Flügel eines Kolibris, und sie begann schwer zu atmen wie ein Medium, das versucht, mit der Geisterwelt in Kontakt zu treten. Vielleicht tat sie das ja auch. Und begierig, ihren ganzen Körper in Besitz zu nehmen, schob ich meine linke Hand unter ihren Zobel und ließ sie über ihre Schenkel und ihren Rumpf gleiten, als wollte ich Elektrizität erzeugen.

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