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Die Adlon - Verschwoerung

Die Adlon - Verschwoerung

Titel: Die Adlon - Verschwoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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darüber reden?»
    «Was meinst du damit?»
    «Mit meiner amerikanischen Freundin. Der Reporterin. Ihr Name lautet Noreen Charalambides. Sie schreibt den Artikel über Isaac. Ich könnte mir vorstellen, dass sie sich liebend gerne mit Ihnen unterhalten würde. Um Ihre und die Geschichte von Isaac aus erster Hand zu erfahren.»
    Joseph grunzte. Er war offensichtlich nicht sehr angetan von der Idee.
    «Angesichts der Tatsache, dass er kein richtiges Grab hat, könnte man es als eine Art Reportage zu seinem Gedenken betrachten», sagte ich. «Was sagen Sie?»
    Er paffte an seiner Zigarette, während er über die Idee nachdachte. In seiner gewaltigen Faust sah der Glimmstängel so winzig aus wie ein Streichholz.
    «Gar keine schlechte Idee», räumte er schließlich ein. «Bringen Sie sie heute Abend vorbei. Ich erzähle ihr die ganze Geschichte. Falls sie nichts dagegen hat, in meine Gegend zu kommen.»
    Er nannte mir eine Adresse in Britz, in der Nähe der Fleischkonservenfabrik. Ich kritzelte sie auf die Innenseite meiner Zigarettenschachtel.
    «Kennt Goerz diese Adresse?», wollte ich wissen.
    «Niemand kennt diese Adresse. Ich lebe ganz allein dort. Wenn man das überhaupt Leben nennen kann. Seit Isaac gestorben ist, habe ich mich ein wenig gehenlassen, wissen Sie? Es erschien irgendwie sinnlos, die Wohnung in Schuss zu halten, jetzt, wo er nicht mehr ist. Irgendwie erscheint alles sinnlos seit seinem Tod.»
    «Ich weiß, wie sich das anfühlt», sagte ich.
    «Ist eine Weile her, dass ich Besuch hatte. Vielleicht kann ich vorher ein wenig saubermachen. Aufräumen, bevor eine Dame ...»
    «Machen Sie sich keine Umstände.»
    «Es sind keine Umstände», versicherte er mir. «Überhaupt nicht.» Er nickte resolut. «Ich hätte es genaugenommen schon vor einer ganzen Weile machen sollen.»
    Wir verabschiedeten uns, und ich suchte eine Telefonzelle, um im Adlon anzurufen.

     
    Ich erzählte Noreen einen Teil der Geschichte, jedoch nicht alles. Ich verschwieg ihr beispielsweise, dass ich unter den Schlägen von Eric Goerz fast die ganze Geschichte ausgeplappert hatte. Der einzige Trost für mich war - ich hatte den Namen des Hotels nicht erwähnt, in dem Noreen wohnte.
    Sie sagte, sie würde sofort vorbeikommen.
     

Kapitel 22
    Ich öffnete die Tür weit, doch nicht so weit wie Noreen die Augen. Sie stand vor mir in einem roten Kleid unter dem Zobel und starrte mich in einer Mischung aus Schock und Verwirrung an - ungefähr so, wie Lotte ausgesehen haben musste, als sie herausfand, dass sich der junge Werther soeben das Hirn aus dem Schädel gepustet hatte. Vorausgesetzt, er hatte Hirn gehabt.
    «Mein Gott!», hauchte sie und betastete mein Gesicht. «Was ist denn mit dir passiert?»
    «Ich habe ein Kapitel Ossian gelesen», sagte ich. «Zweitklassige Poesie hat bei mir immer derartige Folgen.»
    Sie schob mich sanft zur Seite und schloss hinter sich die Tür.
    «Du solltest mich sehen, wenn ich mit etwas richtig Gutem in Berührung komme. Beispielsweise Schiller. Hinterher bin ich immer für Tage bettlägerig.»
    Sie schlüpfte aus ihrem Mantel und warf ihn über einen Stuhl.
    «Vielleicht solltest du das lieber nicht», sagte ich. Ich bemühte mich, nicht verlegen zu sein wegen meiner Wohnung. «Es ist eine Weile her, dass dieser Stuhl anständig entlaust wurde.»
    «Hast du Jod im Haus?»
    «Nein, aber ich habe eine Flasche Kümmel. Ich denke, ich sollte ihn auch innerlich anwenden.»
    Ich ging zum Schrank und schenkte uns zwei Gläser voll. Ich fragte sie nicht, ob sie eins wollte. Ich wusste ja, dass sie gerne trank.

    Währenddessen blickte sie sich im Zimmer um. Es gab einen Schrank, einen Lehnsessel und einen Klapptisch. Außerdem ein eingebautes Bücherregal voller Bücher, von denen ich einige sogar gelesen hatte. Dazu einen Ofen mit einem kleinen Feuer darin und ein Bett - das Wohnzimmer diente mir zugleich als Schlafraum. Durch eine offene Tür ging es in einen zugemüllten Bereich, der mir als Küche diente. Auf der anderen Seite des Milchglasfensters war ein Gitter angebracht sowie eine Feuertreppe, damit die Mäuse sich eventuell in Sicherheit bringen könnten. Gleich neben der Wohnungstür führte eine weitere Tür ins Badezimmer, wo man auf der Toilette sitzen und darüber nachdenken konnte, wie unbequem es doch war, ein Bad direkt vor dem Ofen zu nehmen. Der Boden war durchgehend mit Linoleum ausgelegt sowie einer kleinen Sammlung briefmarkengroßer Brücken. Andere Leute hätten meine Wohnung

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