Die Äbtissin
Stirn. Dann lächelte sie und ihr Blick wanderte durch die Zeit.
»Rodrigo…«
Doña Elvira fiel in einen Dämmerzustand, aus dem sie nicht mehr erwachte. María ließ sofort die Kräuterschwester rufen, die jedoch nicht wusste, welches Mittel sie der Kranken verabreichen sollte. Sie musste nach einem Arzt schicken. Don Diego de Villanueva ließ keinen Zweifel daran, dass die Lage sehr ernst war. Trotzdem setzte er Blutegel an, um die schlechten Körpersäfte aus ihrem Blut zu ziehen, wies jedoch darauf hin, dass er sich keine großen Erfolge von dieser Maßnahme verspreche. Um die Luft im Zimmer zu verbessern, ließ María Jeromiakraut bringen, dessen Duft der Gesundheit förderlich war, und bat die Kräuterschwester, einen Aufguss aus Borretsch und Malve zu bereiten, um die Hustenanfälle zu lindern, obwohl es ihnen kaum gelang, der Kranken mehr als einen Schluck einzuflößen. Sie wich keinen Augenblick von Doña Elviras Lager und ordnete an, dass alle Nonnen in Erwartung der Ereignisse Tag und Nacht für die Kranke beten sollten.
Als sie den langen, tiefen Seufzer hörte, der sich Doña Elviras Kehle entrang, wusste sie, dass ihre alte Freundin und Beschützerin gestorben war. Für eine Zeit, deren Dauer sie nicht ermessen konnte, blieb sie neben dem Lager knien und betrachtete das Gesicht der Frau, die ihr Wegweiserin und Begleiterin gewesen war. Sie wollte sie so in Erinnerung behalten, wie sie in diesem Moment war, heiter und friedlich. Dann erhob sie sich und trat in den Flur hinaus. Sie klatschte ein paar Mal in die Hände, und wie immer erschien augenblicklich Joaquina. María bat sie, die Totenglocke zu läuten. Die Pförtnerin unterdrückte einen entsetzten Schrei, und da sie rasch weinte, füllten sich ihre Augen mit Tränen, bevor sie sich umdrehte, um den Auftrag auszuführen. Während die Glocken des Klosters den Trauerfall verkündeten, kam Petra, die Kräuterschwester, in die Zelle. Mit dem erfahrenen Auge eines Menschen, der daran gewöhnt war, dem Tod zu begegnen, ließ sie ihren Blick über den ermatteten Körper wandern, untersuchte die Augen der Toten, die Mundwinkel, aus denen ein Speichelfaden rann, tastete die Brust ab und gab ein sicheres Urteil ab.
»Unsere ehrwürdige Mutter ist an Entkräftung gestorben. Gott möge sie in seine Herrlichkeit aufnehmen.«
María verließ den Raum und ging in Gedanken durch, was in Fällen wie diesem zu tun war: Man musste den Geistlichen herbeiholen, Anweisung geben, den Leichnam herzurichten, den Rat über den Sterbefall in Kenntnis setzen, unverzüglich einen Boten mit der traurigen Nachricht nach Toledo entsenden, die Trauerfeier vorbereiten und entscheiden, wo in der Kapelle Doña Elvira beigesetzt werden sollte. Bei dieser unerträglichen Hitze war nicht daran zu denken, sie zu überführen. Das Kloster Nuestra Señora de Gracia de Madrigal, das ihre Lehrerin so sehr geliebt hatte, würde ihre letzte Ruhestätte sein.
Sie war mit so vielen Dingen beschäftigt, dass sie stundenlang an nichts anderes denken konnte. Bei Einbruch der Nacht hielt sie Totenwache bei ihrer Lehrerin. Als sie in der Stille vor dem Sarg kniete, durchfuhr ein unsäglicher Schmerz ihre Brust und verursachte ihr ein nie gekanntes Leid. Zum zweiten Mal in ihrem Leben blieb sie allein zurück. Es waren zu viele Gefühle für einen einzigen Tag gewesen, und während sie ihren Kopf gegen den schlichten Holzsarg lehnte, schlief sie ein.
Es vergingen Wochen, bis sie einen Brief aus Toledo erhielt, in dem man ihr mitteilte, dass eine neue Oberin ernannt worden war und man sie in ihrem Amt als Äbtissin des Klosters von Madrigal bestätigt hatte.
Die Monotonie kehrte zurück und María war froh darum. Sie konnte meditieren, auch wenn ihre Gedanken unablässig um einen Punkt kreisten: ihre Vergangenheit.
Sie hatte kein Wort mit ihrer Schwester, der jüngeren María, über das Geheimnis gewechselt, das sie beide teilten. Es hatte nicht den Anschein, als hätte sich diese viel daraus gemacht, denn sie bemerkte keine Veränderung in ihrem Verhalten. Nichts an ihr verriet, dass sie um die neue Situation zwischen ihnen wusste. María war unschlüssig, ob sie sich freuen oder die Reaktion ihrer Schwester bedauern sollte. Sie war überzeugt, dass die gehorsame Ordensfrau beschlossen hatte, den Ratschlägen Doña Elviras aufs Wort zu folgen, und die ganze Angelegenheit beiseite geschoben hatte, die sie selbst so quälte. María wollte, sie musste mehr erfahren, aber sie wusste
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