Die Äbtissin
mochte. So habe ich also erfahren, dass ich noch zwei Schwestern habe.«
Sie wandelten schweigend umher. María war ein wenig erleichtert, nachdem sie nun wusste, dass der König nicht an ihrer Entführung und der ihrer Schwester beteiligt gewesen war. Dennoch fragte sie sich, weshalb er sich nicht auf die Suche nach seinen beiden Töchtern gemacht hatte, wenn er derart mit der Entscheidung seiner Ehefrau haderte. Er hätte sie nach Aragón bringen und im Hause eines seiner Edelleute unterbringen können. Er hätte auch ins Kloster kommen können, um sie kennen zu lernen. Wohl hatte er sich nach dem Tod der Königin um ihre Legitimierung bemüht, doch auch dann hatte er nicht versucht, sie zu sehen. Sie kam zu dem Schluss, dass der Zorn des Königs nicht daher rührte, dass man seine Töchter den Nonnen übergeben hatte. Der wahre Grund für seine Empörung war gewesen, dass Doña Isabella eine Entscheidung getroffen hatte, ohne ihn um Rat zu fragen. In gewisser Weise war es der Beweis dafür, dass sie es war, die Kastilien regierte. Die beiden Marías waren lediglich eine kleine Episode in der Beziehung der beiden gewesen.
Der Tag ihrer Abreise nach Norden rückte näher. Es war ein ersehnter und gefürchteter Moment. Herbeigesehnt von Inés und Don Gonzalo, die in ihre Heimat zurückkehrten, und von María, die an der Biskaya die Spur ihrer Mutter zu finden hoffte. Gefürchtet von Joaquina, der Angst und Bange war nach allem, was sie über die furchtbaren Menschen gehört hatte, die in diesen Gefilden zu Hause waren. Antoñino hatte keine Meinung. Für ihn war jede Reise ein Abenteuer und er war bereit, überallhin zu gehen.
Marías Abschied von Johanna war traurig. Innerhalb weniger Tage waren aus zwei Unbekannten Schwestern geworden, die sich mochten und die Gesellschaft der jeweils anderen genossen. Vielleicht würden sie sich nie wieder sehen. Die Augenblicke der Vertrautheit, die sie geteilt hatten, erschienen ihnen zu kurz und ließen einen bitteren Nachgeschmack zurück, wie etwas, das noch nicht abgeschlossen war. Sie versprachen sich, einander regelmäßig zu schreiben, bis der Tod eine von ihnen zu sich nähme, und beide waren fest gewillt, dieses Versprechen zu halten.
Die Reisenden brachen auf und ließen zu ihrer Rechten die Kartause Nuestra Señora de Miraflores zurück, einen ehemaligen Palast, aus dem König Johann II. ein Kartäuserkloster gemacht hatte. Seine Tochter Doña Isabella hatte es zur königlichen Grablege machen wollen und zu diesem Zweck vergrößern und verschönern lassen. Dort ruhten die sterblichen Überreste ihrer Eltern und ihres Bruders Alfons, jenes armen Knaben, der von ehrgeizigen Adligen nach Belieben manipuliert worden war und der während des Bürgerkrieges starb. Ihre von Gil de Siloé aus Alabaster gehauenen Sarkophage waren nach Aussage derer, die sie gesehen hatten, die schönsten, die es je gegeben hatte.
Je weiter sie Burgos hinter sich ließen, desto mehr veränderte sich die Landschaft. María betrachtete voller Staunen dieses dichte, üppige Grün. Auf den Wiesen stand hoch das Gras und ein Wald folgte auf den anderen. An einigen Stellen war der Weg so schmal, dass sie vom Wagen steigen und zu Fuß gehen mussten, weil sie befürchteten, der Karren könne umstürzen. Dann wiederum mussten sie ihn schieben, um eine Furt zu durchqueren. Unbekannte Vögel flogen über ihre Köpfe hinweg, und einmal wurden sie um ein Haar von einer Bache angegriffen, die wahrscheinlich ihren Wurf verteidigte, wie ihnen der Hauptmann erklärte, der ein großer Liebhaber der Jagd war. Als das Tier merkte, dass sie nicht die Absicht hatten, es zu verfolgen, machte es kehrt und trollte sich wieder in den Wald. Trotz des einen oder anderen Schrecks stellte die Reise eine neue, lohnende Erfahrung dar.
Antoñino genoss die Fahrt am meisten. Er wurde nicht müde, nach den Namen der Bäume zu fragen, die er noch nie gesehen hatte, der Vögel, des Wildes, das ihren Weg kreuzte, der Blumen und sogar der Steine. Wie ein Fährtenleser, der den Weg erkundet, lief er dem Wagen voraus und kam dann wieder zurück, um zu verkünden, was sie ein Stück weiter erwartete. Der Junge war glücklich.
Die arme Joaquina hingegen litt unsäglich. Sie betete ihren Rosenkranz und flehte unablässig zu Gott, der Jungfrau und allen Heiligen, das Böse von ihnen fern zu halten, das in dieser Wildnis auf sie lauerte. Es war unmöglich, sie zu beruhigen.
»Man mag nicht glauben, Schwester, dass Ihr, die
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