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Die Äbtissin

Die Äbtissin

Titel: Die Äbtissin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Toti Lezea
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Ihr stets so beherzt und guter Dinge seid, nun zittert wie ein Lämmlein«, sagte María und konnte ein Lächeln nicht verhehlen.
    »Ein Lämmlein, das die Lefzen des Wolfs ganz nahe spürt, Euer Gnaden.«
    »Red keinen Unsinn, Joaquina. Hunderte von Menschen sind auf diesem Weg gereist. Ist es nicht so, Inés?«
    »Ja, Doña María, und ich weiß nicht, was aus Schwester Joaquina werden soll, wenn wir erst die Berge erreichen, da sie schon jetzt so in Sorge ist.«
    »Welche Berge? Wo sind Berge?«, fragte die Nonne und blickte sich entsetzt um.
    »Ihr werdet sie bald sehen, sowie wir diesen Wald verlassen haben«, antwortete Inés mit einem boshaften Lächeln. »Es gibt keinen schöneren Anblick als die Berggipfel, die sich vor dem Himmel abzeichnen. Manchmal denke ich, dass man dort droben mit Gott sprechen kann.«
    Joaquina vergaß ihre Ängste, und der Zorn entflammte ihr Gesicht.
    »Blasphemie!«, rief sie. »Habt Ihr gehört, was diese Göre gesagt hat? Hält sie sich für die heilige Klara oder die heilige Rita, dass sie sich einbildet, Gott in seiner Gnade werde das Wort an sie richten?«
    »Beruhige dich, Joaquina«, versuchte María die Gemüter zu besänftigen. »Das hat Inés nicht behauptet. Sie hat lediglich bemerkt, dass die Gipfel der Berge, die wir bald vor uns sehen werden, so hoch sind, dass man das Gefühl hat, sie berührten den Himmel. Ist es nicht so?«
    »So ist es, Doña María.«
    »Kein Berg kann so hoch sein, dass man bis zum Himmel kommt«, beharrte Joaquina störrisch. »Ich jedenfalls habe noch nie einen so hohen Berg gesehen!«
    Der Hauptmann, der erheitert der Unterhaltung gelauscht hatte, schaltete sich ein.
    »Ihr werdet bald Gelegenheit dazu haben. In Kürze werdet ihr die Berge der Biskaya am Horizont auftauchen sehen.«
    Tatsächlich wirkte das Gebirge wie die Festung eines gewaltigen Riesen. Man hatte den Eindruck, als wäre die Welt dort zu Ende. Es schien unmöglich, dass Menschen diese Berge überquerten. Ihre Flanken waren in Nebelfetzen gehüllt, die vom Boden aufstiegen, und ihre Gipfel ragten in den Himmel, der dort nicht länger blau war, sondern von einem bedrohlichen Dunkelgrau.
    »Heilige Muttergottes!«, rief Joaquina aus und bekreuzigte sich. »Was ist das?«
    Don Gonzalo begann zu lachen.
    »Das sind die Berge der Biskaya, Schwester. Ich sagte Euch doch, dass wir sie bald sehen werden. Ist es nicht ein wunderbarer Anblick?«
    »Teufelswerk, das sind sie, und ich gedenke nicht, mich dort hineinzubegeben!«
    »Dann werdet Ihr alleine nach Burgos zurückkehren müssen« – María versuchte ernst zu erscheinen – »oder Ihr müsst hier auf unsere Rückkehr warten.«
    Joaquina verstummte.
    »Noch nie in meinem Leben habe ich so etwas gesehen!«, rief Antoñino begeistert aus. »Zuhause werden sie mir nicht glauben, wenn ich erzähle, was ich gesehen habe! Gibt es Drachen in diesen Bergen, Don Gonzalo? Meine Mutter sagt, dass in den Bergen oben im Norden Drachen mit drei Köpfen leben, die fliegen können und aus ihren drei Mäulern Feuer speien und alles in Brand setzen.«
    »Was redet der Junge da?«
    Joaquinas Augen weiteten sich vor Schreck bei der Vorstellung, ihr Leben im Rachen eines dreiköpfigen Ungeheuers auszuhauchen.
    »Es gibt keine Drachen hier, das kann ich Euch versichern«, versuchte der Hauptmann sie zu beruhigen. »Ich habe diese Strecke oft zurückgelegt und bin noch nie einem begegnet.«
    »Schade!«, bedauerte Antoñino. »Ich hätte so gerne mit einem gekämpft und seine drei Köpfe nach Madrigal mitgenommen. Ich wäre ein Held gewesen! Den Jungen im Dorf hätte der Mund offen gestanden vor Neid…«
    Alle mit Ausnahme der dicken Ordensfrau lachten über den Einfall des Jungen.
    Die Nacht verbrachten sie im Kloster von Espino. Die Mönche gewährten ihnen Obdach und teilten ihr karges Mahl mit ihnen. Es waren nicht mehr als ein Dutzend, die als Eremiten dort lebten. Die Gäste wechselten kaum ein Wort mit dem Prior. Die Mönche hielten sich streng an das Schweigegelübde, aber sie waren freundlich und überließen ihnen zwei Zellen, eine für die drei Frauen und eine weitere für den Hauptmann und Antoñino. María war erschöpft. Bevor sie einschlief, zogen die Gesichter all jener an ihr vorbei, die sie im Laufe der vergangenen Wochen kennen gelernt hatte, und sie hörte, wie sich Joaquina unruhig auf ihrem Lager hin und her wälzte, ohne Schlaf zu finden.
    Sie denkt an die Drachen, dachte sie gutmütig amüsiert. Dann schlief sie ein.
    Früh am

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