Die Äbtissin
Julitagen des Jahres 1476 in Bilbao eintreffen. Nachdem er auf die Fueros der Stadt geschworen hatte, würde er sich auf den Weg durch weitere Städte der Grafschaft machen, um erneut im Namen der Königin den Schwur abzulegen, die damit als Herrin der Biskaya anerkannt wurde. Diese Zeremonie gab es seit den Zeiten Johanns I. dem Erben der kastilischen Krone von Seiten seines Vaters, und der Grafschaft Biskaya von Seiten seiner Mutter.
»Die Vorbereitungen für den Empfang erstreckten sich über Wochen«, erzählte der Alte. »Zwist und Streit nahmen kein Ende. Jeder von uns folgte den Befehlen seiner Familienchefs. Auch ich befolgte die Befehle der meinen.«
»Die von Tristán de Leguizamón dem Älteren«, setzte María hinzu.
»Seine und die anderer mächtiger Männer aus unserer Familie. Ihr Wort war Gesetz, und die meisten von uns beugten sich ihm, ohne es infrage zu stellen. Ich muss hinzufügen, dass es bei diesen Auseinandersetzungen nicht zuletzt um wirtschaftliche Interessen beider Parteien ging.«
»Warum? Waren sie so mächtig, dass sich die Bewohner dieser Stadt ihretwegen gegenseitig umbrachten?«
Sie wollte alles über Bilbao und die Biskaya erfahren, die an diesem Tag zu ihrer Heimat geworden war. Hier lagen die Wurzeln, nach denen sie ihr ganzes Leben lang so verzweifelt gesucht hatte.
»Das waren sie, und sie sind es noch immer«, bestätigte ihr Onkel. »Geld und Macht gehen Hand in Hand, wer das eine nicht hat, dem bleibt auch das andere verwehrt. Bei jener Gelegenheit setzte sich Tristán de Leguizamón durch und richtete die Festlichkeiten zu Ehren Don Ferdinands aus. Er war es auch, der Toda schlug und sie zwang, mit dem König zu gehen. Sie selbst erzählte es unserer Mutter und mir, als sie in dieses Haus zurückkehrte.«
»Und Ihr habt nichts unternommen, um es zu verhindern?«
Pedro de Larreas Augen verdüsterten sich und funkelten dann hasserfüllt.
»Ich erfuhr erst am nächsten Tag davon, als bereits in aller Munde war, dass der König Toda zu seiner Geliebten gemacht hatte. Während seiner Reise durch die Städte der Grafschaft war meine Schwester die ganze Zeit an seiner Seite. In diesen Tagen hatte ich keinerlei Gelegenheit, mich ihr zu nähern, um mit ihr zu sprechen. Leguizamón hatte sie streng abgeschirmt, nicht einmal meine Mutter konnte zu ihr.«
Der Alte hielt kurz inne, trank einen Schluck Schlehenlikör und erzählte dann weiter.
»Trotz ihres Unglücks sah ich sie stets hoch erhobenen Hauptes. Die Folgen dieser Verbindung ließen nicht auf sich warten. Bald stellte Toda fest, dass sie schwanger war. Sie schloss sich im Haus ein, wollte nicht nach draußen gehen und niemanden sehen außer unserer Mutter, mir und Andresa, der Dienerin, die Euch geöffnet hat. Die Verlobung mit Martín de Arana wurde gelöst, und meine Schwester verfiel in eine Schwermut, die uns um ihr Leben fürchten ließ. Deine Geburt, María Esperanza, half ihr über das Schlimmste hinweg, und sie überschüttete dich mit all der Liebe, die sie verloren hatte.«
»Wusste der König von meiner Geburt?«
»Ja. Tristán de Leguizamón selbst teilte es ihm mit. Aufgrund der persönlichen Dienste, die er ihm geleistet hatte, oder aus anderen Gründen, die ich nicht kenne, ernannte Don Ferdinand ihn zu seinem Pagen. Das ist so etwas wie ein Berater in Angelegenheiten der Grafschaft Biskaya«, erklärte Don Pedro. »Tristán betrat dieses Haus, das ihm gehört, nicht wieder. Vielleicht fürchtete er Todas anklagenden Blick und die nicht minder vorwurfsvollen Blicke Doña Mayors. Unsere Mutter hat ihm nie verziehen, was er ihrer Tochter angetan hat. Nicht einmal auf dem Totenbett vergab sie ihm und verfluchte noch im Sterben seinen Namen. Ich begegne ihm natürlich häufig, doch seit damals habe ich kein Wort mehr mit ihm gewechselt.«
»Habt Ihr nichts unternommen, um unseren Aufenthaltsort ausfindig zu machen, nachdem wir von diesen Männern entführt worden waren?«
»Bei Gott, das haben wir!«, antwortete der Alte und sprang erregt von seinem Platz auf. »Himmel und Hölle haben wir in Bewegung gesetzt. Unsere Mutter ist sogar bei Kardinal Mendoza vorstellig geworden. Alles, was sie von ihm bekam, waren gute Worte, jedoch keinerlei Hilfe. Die Angelegenheiten des Herrscherpaares dürften nicht öffentlich behandelt werden, sagte er und ließ sogar durchblicken, dass es nicht gut sei, wenn wir unsere Nachforschungen fortsetzten. Es war eine Drohung und als solche verstanden wir sie. Dennoch
Weitere Kostenlose Bücher