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Die Äbtissin

Die Äbtissin

Titel: Die Äbtissin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Toti Lezea
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ausgesehen haben musste.
    Mit dem Eintreffen des Familienoberhaupts nahm die Zeremonie eine andere Wendung. Der Notar Vitoria trat vor den Sessel, machte eine Verbeugung und stellte sich dann neben Leguizamón. Feierlich schlug er eine lederne Mappe auf und begann Don Pedros Testament zu verlesen. Es herrschte absolute Stille. Obwohl die Testamente einflussreicher Persönlichkeiten bei guter Gesundheit und vor zahlreichen Zeugen unterzeichnet wurden und jedermann ihren Inhalt kannte, bestand doch immer die Möglichkeit, dass der Betreffende zu einem späteren Zeitpunkt noch eine Klausel hinzugefügt hatte, die für einige Überraschung und tagelanges Gerede in der Stadt sorgte.
    Nachdem er Gott seine Seele anbefohlen, um eine Beisetzung in der Gruft seiner Eltern in der Kirche San Antón gebeten, Messen für sein Seelenheil in Auftrag gegeben, jedes einzelne Kloster der Stadt mit einer Summe bedacht und sich auch seiner Hauswirtschafterin und seiner treuesten Diener erinnert hatte, denen er verschiedene Zuwendungen hinterließ, ernannte Don Pedro de Larrea María zur Erbin seines gesamten Besitzes.
    »Hiermit ernenne ich meine Wehte María Esperanza de Aragón, die Tochter meiner geliebten, niemals vergessenen Schwester Toda, zur alleinigen Erbin all meiner festen und beweglichen Güter. Ihr gehören…«
    Auf allen Gesichtern spiegelten sich Überraschung und Staunen wieder.
    »Wer zum Teufel ist diese Frau?«, polterte der alte Leguizamón los und erhob sich von seinem Platz. »Ich fechte dieses Testament an, das ein seniler Greis diktiert zu haben scheint und nicht ein gestandener Ehrenmann! Pedro de Larrea hatte weder Söhne, noch Brüder, folglich erhebe ich als nächster Verwandter und Oberhaupt seiner Familie Anspruch auf sein Erbe.«
    Es entstand ein gewaltiger Tumult, sodass man sich eher auf einem Marktplatz als bei einer Totenwache wähnte. Als die Gemüter sich ein wenig beruhigten, stand María auf und ging zum Sarg. Sie war ihrem Onkel aus tiefstem Herzen dankbar, dass er sie vor all seinen Verwandten anerkannt und ihr die Wertschätzung und den Stand zurückgegeben hatte, die man ihr genommen hatte. Sie legte ihre Hand auf die Brust des Toten und sah den alten Tristán fest an.
    »Ich bin María Esperanza de Aragón, die Tochter Toda de Larreas und König Ferdinands von Aragón, einzige Nichte Don Pedro de Larreas und nach seinem Willen Erbin all seiner Güter.«
    Auf ihre Worte hin wurde es totenstill. Einige stellten sich auf die Zehenspitzen, um sie besser sehen zu können. Vater und Sohn Leguizamón sahen sie bestürzt an, aus ihren Gesichtern war jede Farbe gewichen, und sie brachten kein einziges Wort heraus.
    »Ihr habt keinen Beweis, dass das, was Ihr sagt, der Wahrheit entspricht!«, brach es schließlich aus dem Jüngeren heraus. »Toda und ihre Tochter sind vor vielen Jahren gestorben. Ihr seid eine Lügnerin und Hochstaplerin, die einen kranken alten Mann hinters Licht geführt hat, um sich etwas zu erschleichen, das Euch nicht zusteht.«
    María machte sich nicht die Mühe, auf die beleidigenden Worte etwas zu erwidern. Sie zog das päpstliche Sendschreiben, das sie stets bei sich trug, unter dem Mantel hervor und reichte es dem Notar, der es rasch nahm und laut verlas. Als er zu Ende gelesen hatte, verließen Leguizamón und sein Sohn den Raum, nicht ohne María einen Blick zuzuwerfen, in dem diese ebenso viel Hass wie Furcht erkannte.
    Die weitere Totenwache verlief ohne Zwischenfälle. Nacheinander kamen die angesehensten Persönlichkeiten der Grafschaft auf María zu. Bilbao erkannte sie als eine Tochter der Stadt an. Trotz des Kummers über den Verlust ihres einzigen direkten Verwandten war María glücklich und bewegt.
    Als Gonzalo, Inés und María am nächsten Morgen bei einer heißen Milchsuppe saßen und über die Ereignisse bei der Totenwache sprachen, trat Andresa schüchtern zu María und berührte sie am Ärmel.
    »Kann ich etwas für dich tun, Andresa?«, fragte sie.
    »Ach, mein liebes Kind!«, antwortete die Frau auf Baskisch. »María die Erlauchte«, setzte sie auf Kastilisch hinzu.
    María lächelte. Die jüngsten Ereignisse schienen den Geist der Dienerin verwirrt zu haben.
    »Was willst du mir sagen, Andresa? Weshalb nennst du mich so?«
    Die Frau kniete neben ihr nieder, ergriff ihre Hand und küsste sie.
    »Erinnerst du dich nicht, mein Kind?« Inés übersetzte ihre Worte. »Ich habe mich um dich gekümmert, seit du auf der Welt warst. Ich habe dich gebadet und dir

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