Die Äbtissin
wechseln, und gab sich zufrieden.
Diego de Mugica, ein Bakkalaureus und Vetter von Inés, würde mit ihnen über Vitoria bis nach Tordesillas reisen. Er wollte nach Salamanca, um seine Studien fortzusetzen.
Die Wegstrecke bis Vitoria war ebenso schön wie beschwerlich. Sie kamen durch das nach dem gleichnamigen Fluss benannte Arratia-Tal, welches so dicht bewaldet war, dass die über Felder und Hügel verstreuten Gehöfte kaum zu erkennen waren. In dem Ort Igorre konnten sie den Turm der Familie Abendaño bewundern, dem Bakkalaureus zufolge eine der grausamsten Sippen der Grafschaft, die noch vor fünfzig Jahren Angst und Schrecken in der ganzen Gegend verbreitet hatte.
»Heute sind sie nicht mehr das, was sie einmal waren«, erklärte der junge Student. »Sie haben sich den neuen Gepflogenheiten angepasst und widmen sich dem einträglicheren Eisen- und Kohlenhandel.«
Sie überquerten einen Pass mit Namen Barazar, was soviel heißt wie »Garten«. Es war in der Tat ein herrlicher Garten, an dem sich María nicht sattsehen konnte. Das satte Grün der Felder kontrastierte mit dem Laub der Eichen, Buchen und Kastanien, das sich gelb und rot zu färben begann und vom Beginn des Winters kündete, der, wie der Bakkalaureus erklärte, nicht so bitterkalt sei wie in Kastilien, jedoch regnerisch und sehr feucht, mit gelegentlichem Schnee und einem heftigen Nordwind. Hie und da waren Gehöfte aus rotem Ziegelstein zu sehen. Aus den Kaminen stieg Rauch auf, der einen angenehmen Geruch nach verbranntem Holz verbreitete. Auf den Wiesen weideten Kühe und Schafherden. Alles war friedlich und still, so ganz anders als in der lebhaften Stadt mit ihrer Betriebsamkeit und ihren Intrigen, die sie soeben verlassen hatten. Einmal führte der Weg steil bergan, dann wieder ging es einen Hang hinunter, der im Nebel verborgen lag, bis dieser sich auflöste, um kurz darauf wiederzukehren. Es war eine Landschaft von geheimnisvoller Schönheit, die Joaquina allerdings nicht zu schätzen wusste.
»Ich werde Jahre brauchen, um die Feuchtigkeit wieder loszuwerden«, seufzte sie. »Glaubt Ihr, dass wir eines Tages heil und gesund in unser geliebtes Kloster in Madrigal zurückkehren werden?«
»Das glaube ich, Joaquina«, antwortete María und klang dabei eher bekümmert als fröhlich. »Wir werden schneller dort sein, als du denkst.«
Nachdem sie den Wagen an der Poststation außerhalb der Stadtmauern zurückgelassen hatten, betraten sie Vitoria durch das älteste Stadttor, die Puerta de Santa María, hinter der Stiftskirche. Langsam spazierten sie durch das kleine Städtchen, dankbar für die Bewegung nach dem unablässigen Geholper des Wagens. Die Leute, die ihnen begegneten, waren ganz ähnlich gekleidet wie in Bilbao, jedoch diskreter: weniger silberbestickte Leibchen, weniger Juwelen, weniger Samt und Federn. Diego de Mugica hatte seine Freude daran, ihnen die Geschichte der Stadt zu erläutern, die älter war als jene des Seehafens Bilbao. Neben vielem anderen hatte er auch Geschichte studiert und war ein unerschöpflicher Quell des Wissens. Trotz seiner Jugend hoffte er bald die Doktorwürde zu erlangen, um an einer der renommiertesten Universitäten lehren zu können.
»In Salamanca«, erklärte er, »oder vielleicht an der neuen Universität von Alcalá de Henares, die der Kardinal vor einigen Jahren gegründet hat.«
»Und weshalb nicht in Eurer Heimat?«, fragte María.
»Wir haben dort leider keine humanistische Universität. Es gibt Handelsschulen und sogar eine so genannte Universität des Meeres, an der die Studenten alles über die Seefahrt lernen können, doch wenn man Geschichte, Latein oder Theologie lehren möchte, muss man zwangsläufig in die Fremde.«
Die Stiftskirche Santa María lag auf einem Hügel. Alle Straßen der Stadt führten zu ihr hinauf oder von dort hinunter, je nachdem, wie man es betrachtete. Wie an anderen Orten auch war jede Straße nach dem Handwerk benannt, das dort beheimatet war: Die Straße der Schmiede, der Messerschleifer, der Schuhmacher… Die meisten Häuser hatten bleiverglaste Erker anstelle von Baikonen.
»Das liegt daran, dass es in dieser Stadt im Winter sehr kalt ist«, erklärte Diego und lachte dann auf. »Und während des restlichen Jahres auch!«
»Es kann nicht schlimmer sein als in Madrigal«, antwortete Joaquina in Erinnerung an die Eiseskälte, die während der kältesten Monate des Jahres in den Zellen herrschte.
Da es in Vitoria keine Augustinerinnen gab, nahmen sie
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