Die Äbtissin
so zu erheitern schienen. Ihr lag auch nichts daran, von den Vorzügen des vortrefflichen Don Ferdinand zu erfahren, den Don Juan Ramón ganz offensichtlich schätzte und achtete.
Einige Tage darauf verließen sie Vitoria in Richtung Burgos. Dort angekommen, begaben sich María und Joaquina nicht in die Stadt, sondern direkt zum Kloster Santa María la Real, auch Las Huelgas genannt. Diego de Múgica fand Obdach im Hause seines ehemaligen Theologieprofessors, der nun Kanonikus an der Kathedrale war.
Die Zisterzienserinnen nahmen sie freundlich auf und baten sie, einige Tage zu bleiben, insbesondere nachdem María ihren vollständigen Namen genannt hatte. Warum ihn verbergen, wenn selbst der einfachste Bürger Bilbaos um ihre Herkunft wusste? Sie hatte das Recht, ihn zu verwenden, und das gedachte sie auch zu tun. Sie vergaß das Versprechen, das sie Doña Elvira auf dem Totenbett gegeben hatte. Oder war es gar kein Versprechen gewesen?
Die Gemeinschaft in Las Huelgas war sehr erlesen. Nur Mädchen aus adligen oder begüterten Familien, die eine bedeutende Mitgift ins Kloster mitbrachten, hatten das Recht, in die eigentliche Klostergemeinschaft aufgenommen zu werden. Jede von ihnen verfügte über eine nach ihrem Geschmack eingerichtete Einzelzelle und eine persönliche Dienerin. Die Laienschwestern, Bäuerinnen oder Mädchen aus dem Dorf waren mit den niederen Arbeiten betraut und lebten in Gemeinschaftszellen. Sie aßen nicht am Tisch der Äbtissin und verfolgten die Gebete und die Messe von einem entlegenen, für sie vorgesehenen Platz. Es war ein Hofstaat im Kleinen.
María wurde in einer der Privatzellen untergebracht, Joaquina hingegen musste sich den Schlafsaal mit den anderen teilen. Die Äbtissin Doña Teresa de Aiala, eine Nachfahrin des Kanzlers, erklärte ihr den Grund für diese Unterscheidung.
»Dieses Kloster, Doña María Esperanza, wurde als Grablege für die Könige gegründet, die erste Äbtissin war eine königliche Infantin. Weitere Infantinnen und Mitglieder der königlichen Familie folgten ihr nach. Die Privilegien und Befugnisse, über die wir verfügen, wurden dem Kloster eben wegen dieses königlichen Status zuerkannt, der es so sehr von anderen Klöstern unterscheidet. Ihr werdet verstehen, dass Frauen von so hoher Geburt unmöglich ihr Leben mit ungebildeten Bäuerinnen und Mädchen teilen können.«
»Ich glaubte, wer zum religiösen Leben berufen sei, unterscheide nicht länger zwischen arm und reich«, bemerkte María unfreundlich. »Vor Gott sind wir alle gleich.«
In ihren Worten schwang eine Ironie mit, die der Äbtissin nicht verborgen bleiben konnte.
»Mag sein, doch werdet Ihr mit mir übereinstimmen, dass die Kirche ein Abbild der Welt ist, in der wir leben. Es wäre nicht gut, wenn es drinnen etwas gäbe, das in der Welt draußen nicht existiert.«
María war perplex. In Madrigal waren alle gleich, man verbrachte Gebet, Arbeit, Mahlzeiten und Mußestunden gemeinsam. Allerdings war das Amt der Äbtissin wie in den meisten Klöstern und Konventen Frauen von edler Herkunft vorbehalten, gelegentlich auch solchen Frauen, die große Frömmigkeit bewiesen hatten. In ihrem Fall war es nicht die Frömmigkeit gewesen, doch nun, da sie wusste, wer sie war, verstand sie so manches. Wahrscheinlich hatte der Hof bei ihrer Ernennung die Finger im Spiel gehabt.
Sie stellte fest, dass alles, was sie über dieses Kloster gehört hatte, der Wahrheit entsprach. Las Huelgas Reales besaß außerordentliche Macht, bedachte man, dass es nicht von Männern, sondern von Frauen geführt wurde. Mit Ausnahme der Königin hatte keine andere Frau in Kastilien so viel Einfluss wie seine Äbtissin. Dörfer samt ihren Bewohnern, Priester, Mönchs- und Nonnenklöster unterstanden ihrer Weisung. Allein die Pachtzahlungen, Wegezölle, Zehnte und Steuern machten ein Vermögen aus. Dazu kamen die eigene Landwirtschaft und Viehzucht, die ebenfalls erkleckliche Einnahmen brachten. Das Kloster und seine Ländereien gehörten zwar de facto der Krone, doch die Äbtissin handelte in ihrem Namen und war einem Granden des Reiches gleichgestellt.
María hatte Gelegenheit, sich nach Belieben in der Klosteranlage und den umliegenden Gärten umzusehen: die hohen, mit Zinnen bekrönten Mauern, die Türme mit ihren gewaltigen Stützpfeilern, Ziertürmchen und der Brüstung mitten Pechnasen; der offene Bogengang, Claustro de los Caballeros genannt, weil dort einige bedeutende Adlige begraben lagen; die aus einem Stück
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