Die Äbtissin
Eheschließung zwischen den beiden Souveränen auszuhandeln. Die Verhandlungen waren langwierig und mühsam. Die kastilischen Gesandten forderten, dass Ferdinand nicht nur am kastilischen Hof zu residieren habe, sondern sich außerdem damit einverstanden erklären solle, dass Isabella Alleinherrscherin über Kastilien sei, auch wenn Dekrete und Protokolle die Unterschriften beider tragen würden.
»Damals«, fuhr Don Juan Ramón fort, »lernte der König Aldonza Roig aus dem Geschlecht derer von Portell kennen. Sie war zwei oder drei Jahre älter als er und schön von Gestalt und Wesen, zurückhaltend und sanft. Die beiden verliebten sich ineinander und teilten mehrere Monate das Bett, so lange, wie die Verhandlungen mit den Kastiliern dauerten.«
Der Graf erinnerte sich, wie die Liebenden Abschied voneinander genommen hatten. Die Eheverträge waren endlich unterzeichnet und der Prinz musste nach Dueñas aufbrechen. Don Ferdinand versprach, für Aldonza und das Kind zu sorgen, das sie unter dem Herzen trug. Er ließ seinen Freund Pedro Gido zurück, damit er auf sie Acht gebe und ihn von der Geburt des Kindes unterrichte. Wenig später heiratete er Doña Isabella. Alfons wurde acht Monate darauf in Cervera geboren. König Johann von Aragón nahm Mutter und Sohn an seinem Hof in Zaragoza auf.
»Erkannte mein Vater seinen Sohn schon damals an?«, fragte María, die den Ausgang der Geschichte erfahren wollte.
»Nein, erst vier Jahre später. Er leitete die Cortes in Aragón, und es war nicht zu vermeiden, dass er mit Doña Aldonza und ihrem Sohn zusammentraf. Der Junge war sehr hübsch, lebhaft und aufgeweckt. Don Ferdinand verliebte sich sofort in ihn und beschloss, ihn anzuerkennen. Die Nachricht kam Doña Isabella zu Ohren, die nichts von der Existenz dieses Sohnes gewusst hatte, der nur einen Monat älter war als ihre eigene Tochter.«
»Und wie hat die Königin reagiert?«
»Ihr könnt es Euch denken, Señora. Die Königin war keine einfache Frau, und dass ihr Mann ein Verhältnis zu einer anderen unterhalten hatte, während die Bedingungen für ihre Vermählung ausgehandelt wurden, beleidigte sie in ihrer Würde. Ich weiß nicht, ob dies der Grund dafür war, dass Doña Isabella ihren Gatten nicht über den Tod König Heinrichs in Kenntnis setzte und sich in seiner Abwesenheit zur Königin von Kastilien ausrufen ließ. Ihr voran ging ein Ritter mit blankem Schwert, eine Ehre, die ausschließlich den Männern vorbehalten ist. Mein Gebieter verstand dies als persönliche Beleidigung, er weigerte sich, nach Kastilien zurückzukehren, und sprach sogar von Trennung und Scheidung. Später versöhnten sich die beiden und schlossen den Vertrag von Segòvia.«
»Und was wurde aus Alfons und seiner Mutter?«
»Die Königin bat sich aus, dass der Knabe gemeinsam mit der Infantin Isabella am Hof erzogen werden sollte, und so geschah es. Doña Aldonza wiederum heiratete einen katalanischen Adligen.«
María hätte schreien können. Der illegitime Sohn war anerkannt und wie ein Prinz erzogen worden und seine Mutter hatte ihr Leben wieder aufnehmen können, wohingegen sie in ein Kloster gesteckt worden war und ihre Mutter wahrscheinlich in ein anderes.
»Weshalb sagtet Ihr vorhin, dass Alfons nicht für die Kirche bestimmt sei?«, fragte sie und konzentrierte sich wieder auf ihren Halbbruder.
»Weil es so ist!« Die Augen des Grafen blitzten vergnügt auf. »Sagt mir, was ist das für ein Bischof, der die Rüstung dem Habit vorzieht und das Schwert dem Kreuz? Er befehligt das Heer so erfahren wie ein General und hat nur ein einziges Mal die heilige Messe zelebriert, und zwar an dem Tag, als er mit sechzehn Jahren zum Erzbischof geweiht wurde. Bis dahin war der Titel nur ein Ehrentitel. Später wurde er zum Kardinal ernannt, aber wie Ihr wohl wisst, braucht ein Kardinal kein Priester zu sein, und so zelebrierte er zu diesem Anlass nicht einmal eine Messe. Außerdem: Wo hat man je gesehen, dass ein Kirchenfürst mit seiner Geliebten in Gemeinschaft lebt und mit ihr sechs Kinder hat? Doña Ana de Gurrea ist eine vortreffliche Frau, von allen hoch geschätzt, doch ändert dies nichts daran, dass sie Alfons’ Konkubine ist.«
Der Graf erzählte weiter von Aragón, von vergangenen und gegenwärtigen Kriegen und vielem anderen mehr, doch María hatte das Interesse an der Unterhaltung verloren. Sie war traurig und wollte nichts mehr von den Kriegs- und Liebeshändeln ihres Halbbruders hören, die den Kondestabel von Aragón
Weitere Kostenlose Bücher