Die Äbtissin
unter. Die Kälte aus der nahen Sierra kroch ihnen in die Knochen, und feiner Reif begann sich auf die Felder zu legen. María fragte einen Bauern nach dem Büßerkloster. Der Mann sah sie überrascht an.
»In Madrigalejo gibt es keine Klöster«, antwortete er trocken. Nun war die Überraschung an ihr.
»Ich fürchte, du hast mich nicht recht verstanden, guter Mann«, beharrte sie. »Es muss ein Büßerkloster hier geben.«
»Und ich sage Euch noch einmal, dass es hier kein Kloster gibt«, erwiderte der Mann ungeduldig. »Vielleicht in Navalvillar oder Miajadas, aber hier nicht.«
Der Mann war starrköpfig. Er schien nicht erfreut darüber zu sein, dass man ihn bei der Arbeit unterbrochen hatte, wo es doch nicht mehr lange war bis Sonnenuntergang, doch María war nicht bereit, sich geschlagen zu geben.
»Es ist ein Frauenkloster.«
Der Bauer sah sie unfreundlich an und dachte kurz nach, bevor er antwortete.
»In Madrigalejo gibt es lediglich einen Frauenkerker, aber das ist kein Kloster«, beharrte er, bevor er wieder nach der Hacke griff. »Den gibt es.«
María war sprachlos. Ein Frauenkerker… Man hatte ihre Mutter in einen Frauenkerker gebracht, wie eine Verbrecherin, die die schlimmste Strafe verdiente.
»Wo befindet sich dieser Kerker?«, fragte sie weiter.
Der Mann warf ihr einen wütenden Blick zu, doch etwas in den Augen der Äbtissin brachte ihn dazu, seinen Ton zu ändern, und er wies ihnen einigermaßen freundlich den Weg.
María wollte auf direktem Wege dorthin, aber Luis machte ausnahmsweise einmal den Mund auf und riet ihr, bis zum nächsten Tag zu warten. Nach Einbruch der Dunkelheit würde es sehr schwierig werden, eine Unterkunft für die Nacht zu finden. Niemand würde ihnen die Tür öffnen. Sie nahm den Rat an, und sie machten sich auf den Weg ins Dorf, wo sie Aufnahme im Hause einer Witwe fanden. Doña Gracia setzte alles daran, ihnen den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen.
»Esst! Greift zu!«, ermunterte sie ihre Gäste. »Nach einer so langen Reise müsst Ihr hungrig sein. Es gibt nichts Besseres als einen guten Eintopf, um wieder zu Kräften zu kommen.«
Sie hatten großen Hunger. Seit ihrer Abfahrt aus Trujillo hatten sie nichts mehr gegessen, und die dicke Suppe aus Gemüse und Linsen schien ihnen die köstlichste Speise, die sie je in ihrem Leben gekostet hatten.
Die Frau war von geschwätzigem Naturell und die unerwarteten Gäste dünkten sie ein Geschenk des Himmels.
»Ich weiß nicht, ob Ihr davon gehört habt«, begann sie das Gespräch, nachdem sie die Teller abgetragen und einen halben Laib Schafskäse, Quittengelee, Brot und Wein auf den Tisch gestellt hatte, »aber erst kürzlich ist König Ferdinand just an diesem Ort verstorben.«
»Hier in diesem Haus?«, fragte María überrascht.
»Nicht direkt in diesem Haus, es wäre zu bescheiden gewesen für eine so hohe Persönlichkeit. Der König wohnte bei Meister Hernando de la Encina, an der Plaza«, erklärte die Frau. »Ein wirklich schönes Haus. Früher einmal war es ein Palast oder dergleichen, glaube ich. Es hat ein wenig an Glanz verloren, doch es ist ein mächtiges Gebäude mit dicken Mauern. Don Hernandos Vater war ein Ritter des Calabrava-Ordens, der an der Seite des verstorbenen Königs Heinrich auf dem Schlachtfeld gegen die Sarazenen kämpfte. Und sein Großvater…«
Sie liefen Gefahr, sich den ganzen Stammbaum der Familie de la Encina anhören zu müssen. María unterbrach ihre Gastgeberin liebenswürdig.
»Ihr sagtet, unser König Don Ferdinand sei in Madrigalejo gestorben…«
»So ist es, Euer Gnaden. Der Ärmste! Ein trauriger Anblick!«
»Hattet Ihr Gelegenheit, den König zu sehen?«
»Nein, ich persönlich nicht«, musste die Frau zu ihrem großen Bedauern eingestehen, »aber unser Pfarrer Don Elmiro. Als er von der Erkrankung des Königs erfuhr, wurde er im Haus der de la Encinas vorstellig, für den Fall, dass seine Anwesenheit in diesen tragischen Stunden vonnöten sein sollte. Und wisst Ihr was?« Doña Gracia machte eine Pause, um ihre Zuhörer auf die Folter zu spannen. »Der König verweigerte die Beichte! Nicht einmal sein eigener Beichtvater und Kaplan, der sich in seinem Gefolge befand, durfte sich seinem Lager nähern.«
Marías Staunen kannte keine Grenzen. Ihr Vater, dem Papst Borgia den Titel der Katholische verliehen hatte, sollte im letzten Augenblick seines Lebens die Beichte abgelehnt haben? Sie konnte nicht glauben, was sie da hörte.
»Seid Ihr Euch da
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