Die Äbtissin
großer Diskretion, Takt und zuweilen auch Kaltblütigkeit verlangen. Ich überbrachte ein geheimes Abkommen mit dem Feind, die gefüllte Börse eines jüdischen Pfandleihers… oder ich schaffte Personen aus dem Weg, die gefährlich oder einfach nur lästig waren.« Er bemerkte das plötzliche Interesse im Gesicht seiner Gesprächspartnerin und erzählte weiter, stolz, mit seinen Heldentaten prahlen zu können. »Einmal zum Beispiel entführte ich mit meinen Männern eine Frau und ein Mädchen, eine Tochter dieses verfluchten Königs.«
María merkte, wie ihre Hände zu zittern begannen, und musste sich sehr zusammenreißen, um sie unter Kontrolle zu behalten.
»Die Frau war aus Bilbao, eine gottverfluchte Gegend! Der König vergnügte sich während eines Besuches mit diesem Weib und ließ es schwanger zurück. Jahre später erdreistete sich die Dirne, Doña Isabella zu beleidigen, doch Pedro, ich und weitere Männer nahmen uns ihrer und ihres Bastards an.«
»Und das geschah auf Geheiß der Königin?« María hatte einen trockenen Mund und trank einen Schluck Wasser, der ihren Durst nicht löschte.
»Ja und nein«, antwortete Núñez. »Sie befahl, das Mädchen in ein Kloster in Kastilien zu bringen, von der Mutter jedoch sagte sie nichts. Es war meine Entscheidung. Ich konnte sie doch nicht laufen lassen, damit sie überall herumerzählte, was geschehen war! Das Mädchen ließen wir bei den Nonnen, und sie brachten wir in ein Büßerkloster, an einen dieser Orte, wo die Huren und Diebinnen für ihre Sünden büßen, doch vorher tat ich dasselbe mit ihr, was der König mit ihr getan hatte.«
Der Mann lachte und trank erneut. Für einen Moment war María versucht, ihm den Krug ins Gesicht zu schlagen, aber es war wichtiger herauszufinden, wo sich dieses Büßerkloster befand.
»Ich roch nicht so gut wie Don Ferdinand« – Núñez ergötzte sich an der Erinnerung –, »doch als es darum ging, meine Männlichkeit zu beweisen, stand ich ihm in nichts nach. Als wir von ihr abließen, war nicht mehr viel von ihrem Stolz geblieben. Nicht einmal der trägen Tomasa wünsche ich so etwas. Ich nahm Lara das Versprechen ab, niemals ein Wort über sie zu verlieren. Die Königin konnte mit meinen Methoden nicht einverstanden sein! Im Gegenzug für sein Schweigen schenkte ich ihm diesen Ring, den er immer bewundert hatte. Jetzt wird er für immer schweigen, und der Ring ist zu seinem Besitzer zurückgekehrt.«
Er trank den Rest des Kruges aus, und als er aufstieß, roch es nach Wein. María musste sich beinahe erbrechen, aber da war noch eine Frage, die entscheidende.
»Dieses Büßerkloster…«, sagte sie und versuchte ihre Verachtung zu verbergen, »… befindet es sich in der Nähe von Burgos? Ich kenne eines, das…«
»Nein, Señora, nein.« María verfolgte mit den Augen die Bewegungen von Núñez’ Lippen, hinter denen sich die schmutzige, stinkende Öffnung seines Mundes befand. »Ihr werdet nie darauf kommen… Es ist in Madrigalejo!« Er lachte wild auf. »Dort, wo der Teufel vor ein paar Wochen den König holte!«
María erhob sich wie von einer fremden Macht gelenkt und verließ den furchtbaren Raum, ohne sich noch einmal umzublicken. Sie war schon draußen, als sie Núñez unflätig fluchen hörte, weil sie ihn so unhöflich hatte sitzen lassen. Dann rief er lautstark nach seiner Tochter. Die Dienstboten sahen sie verdutzt an, als sie eilig den Innenhof durchquerte und zum Eingangstor ging. Der glatzköpfige Diener, der nicht wusste, weshalb sein Herr so brüllte, wollte sich ihr in den Weg stellen, doch sie stieß ihn beiseite und trat auf die Straße hinaus, und ohne einen einzigen Blick zurück wies sie Luis an loszufahren.
Sie verbrachten die Nacht in der Herberge an der Plaza de Guadalupe. Sie wollte nicht in einem der Klöster nächtigen, um nicht den Grund für ihren Aufenthalt in Trujillo erklären zu müssen, und außerdem wollte sie mit niemandem sprechen. Der Gedanke, dass der Hüne mit der Narbe nach ihr suchen lassen könnte, raubte ihr den Schlaf, doch es geschah nichts. Er wird heillos betrunken sein, überlegte sie. Sie hatte ihm nicht gesagt, wer sie war, obwohl sie während des Gesprächs daran gedacht hatte. Doch dann hatte sie beschlossen, dass dieser Teufel nicht einmal das verdiente.
Noch vor Tagesanbruch waren sie auf dem Weg zu dem Dorf Miajadas, einige Meilen südlich von Trujillo, und von dort ging es weiter nach Madrigalejo. Als sie ankamen, ging gerade die Sonne
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