Die Äbtissin
eines Hundes.
»Wo bist du gewesen, du Faulenzerin?«, herrschte ihr Vater sie an und sprach weiter, ohne ihre Antwort abzuwarten. »Nie finde ich dich, wenn ich dich brauche. Bring einen Krug Wasser für die Äbtissin und einen Krug Wein für mich. Und auch ein bisschen Brot und Schinken, denn es ist nicht gut, auf nüchternen Magen zu trinken.«
Bevor Tomasa den Raum verlassen konnte, wandte sich der Mann an María, laut genug, damit die Frau ihn verstehen konnte.
»Das ist meine Tochter Tomasa. Eine alte Jungfer, die mir niemals Enkelkinder schenken wird, aber wer will schon mit ihr ins Bett gehen? Immerhin hat mein Sohn Ñuño mir fünf Enkel geschenkt, und das sechste ist unterwegs!«
Tomasa kehrte bald mit dem Erwünschten zurück und ihr Vater beleidigte sie weiter, bis sie wieder gegangen war. María hätte gerne auf der Stelle dieses Haus verlassen, aber der Wunsch nach Erkenntnis, der sie hergeführt hatte, hielt sie zurück. Núñez bot ihr einen Platz an und schenkte sich einen Becher Wein ein, den er in einem Zug leerte, und dann noch einen.
»Pedro de Lara war ein guter Freund«, sagte er wie zu sich selbst. »Zusammen haben wir große Taten vollbracht und große Gefahren bestanden. Gemeinsam waren wir unbesiegbar. Dieser Dummkopf, dieser Hurensohn…« Er schenkte sich noch einen Becher Wein ein. »Er verliebte sich in die Königin. Mit Königinnen darf man sich nicht einlassen! Das sagte ich ihm, doch er hörte nicht auf mich. Ich liebte sie auch, aber auf andere Weise. Ich liebte sie, weil sie eine einzigartige Frau war. Es gab und gibt keine wie sie, der Verstand eines Mannes im Körper einer Frau. Seht Ihr die Narbe in meinem Gesicht?«
María nickte. Sie hatte sie über dreißig Jahre lang immer wieder nachts gesehen.
»Ich trug sie davon, als ich für sie gegen die Portugiesen kämpfte. Es war in der siegreichen Schlacht von Toro, die das Ende ihrer Feinde besiegelte.«
Den Blick in die Ferne gerichtet, den leeren Becher in der Hand, dachte er an die glorreichen Tage zurück.
»Wenn Ihr mir eine Frage gestattet…«
Trotz des kühlen Wassers brannten Marías Lippen. Núñez führte den Becher zum Mund, und als er merkte, dass er leer war, schleuderte er ihn bis ans andere Ende des Saals und trank direkt aus dem Krug.
»Fragt, wonach Euch der Sinn steht. Ich unterhalte mich gerne, aber in diesem Haus bin ich von Idioten umgeben.«
Die Stimme des Mannes begann zu stocken. María beeilte sich, ihre Fragen zu stellen. Nicht mehr lange und Núñez war besoffen wie ein Fass, und dann würde es unmöglich sein, etwas aus ihm herauszubekommen.
»Da der gute Mann nicht mehr ist«, begann sie so freundlich, wie es ihr möglich war, »bin ich neugierig auf das gehaltene Versprechen, von dem Euch in Kenntnis zu setzen er mir auftrug… War es etwas so Bemerkenswertes, dass es auch nach so langer Zeit noch seine Gültigkeit behält? War dieser kostbare Ring ein Entgelt für seine Erfüllung?«
»Es stimmt, Lara ist tot«, erinnerte sich Núñez, »und mit ihm viele andere Freunde und Gefährten. Auch die machtgierigen Herren, die für oder gegen die Königin kämpften, wie es ihnen gerade passte. Der Markgraf von Villena, Erzbischof Carrillo, der Markgraf von Cádiz… Ein Haufen von Halunken, die an Satans Tafel sitzen werden! Auch Doña Isabella ist tot, ebenso wie ihre älteste Tochter und ihr Sohn Johann und ihr kleiner Enkel… Wie viele Tote habe ich in meinem Leben gesehen!«
María wusste nicht zu sagen, ob er dies beklagte oder ob es eine bloße Feststellung war.
»Und der König von Aragón«, fuhr der Mann fort, »denn König von Kastilien war er nie, obgleich man der Gerechtigkeit halber sagen muss, dass er seiner Gemahlin zur Seite stand. Wisst Ihr, dass er vor kurzem gestorben ist?« Die Nonne nickte. »Ganz hier in der Nähe, in Madrigalejo. Es heißt, er sei ein Wrack gewesen, obgleich er zehn Jahre jünger war als ich.«
»Ihr scheint ihn nicht sonderlich zu schätzen.«
»Weshalb sollte ich?« Núñez nahm einen langen Zug aus dem Krug und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Die gute Königin war kaum gestorben, als er mich aus seinen Diensten entließ. Zu Lebzeiten Doña Isabellas hätte er das nicht gewagt. Aber nachdem sie nicht mehr war, wollte ich sowieso nicht am Hof bleiben. Außerdem wusste ich zu viel, um meinen Posten behalten zu können.«
»Was wusstet Ihr?«
»Es gibt Dinge, die jemand für die Mächtigen erledigen muss. Dienste, die nach
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