Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Ängstlichen - Roman

Die Ängstlichen - Roman

Titel: Die Ängstlichen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
anderes im Sinn, als mir Klagen über meinen Schwager anzuhören.«
    »Was machst du denn?«, schallte es nun pikiert aus der Ankergasse herüber.
    »Ich packe, wenn du es genau wissen willst!«
    »Du verreist? So plötzlich?«
    »Mutter! Was soll denn so eine dumme Frage? Fürs Krankenhaus natürlich!«
    »Ach Gott, ja!«, ruderte sie zurück. »Wie konnte ich das bloß vergessen. Ach, Junge! Ich wollte dir auch nur sagen, dass der Termin für die geplante Versammlung der Familie nun endgültig feststeht.«
    »Wie schön!«, sagte Helmut und drückte die Open-Taste des CD-Spielers, worauf sich die Verschlussklappe öffnete und er Zugriff auf die sich mit sichtbar nachlassender Geschwindigkeit drehende Silberscheibe hatte.
    »Ja, kommenden Samstag!«, rief Johanna. »Nur die Familie,Ulrike, Rainer und die Kinder, Ben und seine Freundin, diese, na, du weißt schon, und du natürlich und Tante Erika!« (Bei dem Gedanken, wie unvollständig ihre Aufzählung in Wahrheit war, stockte ihr der Atem.)
    »Also, ich weiß nicht, Mutter, ob der Termin so glücklich gewählt ist, schließlich werde ich in Kürze operiert und danach …« Hier riss sein Satz unvermittelt ab; gut möglich, dass ihm für einen kurzen Moment bewusst wurde, dass von einem Eingriff bisher keinesfalls die Rede gewesen war. Nach einem kurzen Seufzer sagte er: »Aber darf man vielleicht den Grund für dieses ominöse Treffen erfahren? Ich meine, gibt es irgendwelche Neuigkeiten, irgendetwas, was du mir verschweigst? Irgendwas mit Janek?«
    »Ich habe euch etwas anderes mitzuteilen«, antwortete Johanna süffisant, »mehr sage ich jetzt nicht!«
    »Ganz wie du meinst«, erwiderte Helmut und sah auf die Uhr. In nicht mehr ganz zwei Stunden erwartete man ihn auf der Urologischen Station des St.-Vinzenz-Krankenhauses.
    »Ruf an, sobald du Genaueres weißt! Hörst du?«, sagte Johanna eindringlich.
    »Ja, mach ich«, antwortete Helmut und starrte auf die Zeiger seines Rolex-Blenders. Dann legte er auf.
    Sein letzter Krankenhausaufenthalt lag Jahre zurück und hatte dazu geführt, dass er endgültig einen Abscheu gegen solche Einrichtungen hegte. Ein Betrunkener hatte ihm im Getümmel eines Volksfestes in Alzenau eine halb volle Bierflasche auf den Kopf geschlagen, woraufhin er blutüberströmt zusammengebrochen und von seiner damaligen Geliebten Franka ins Krankenhaus gebracht worden war. Noch im Auto und mit letzter Kraft hatte er, ehe er bewusstlos wurde, gehaucht: »Nicht ins Krankenhaus, bitte nicht!« (Krankenhäuser waren in seinen Augen öffentliche Fallen, aus denen es meist nurnoch schwerlich ein Entkommen gab, Sackgassen, tote Gleise, letzte Ausfahrten, die in unübersichtliches, unwegsames Gelände führten oder, am schlimmsten, direkt ins Nichts, in den Tod, sofern man nicht an Gott glaubte und darauf hoffen durfte, dass der einen großmütig in die Arme schloss und auf die Hauptstraßen des Lebens zurückgeleitete. Und Helmut glaubte bekanntlich nicht an Gott.)
    Wer sich in ein Krankenhaus begab, willigte, davon war Helmut fest überzeugt, in eine Art temporäre Entmündigung ein, wurde entrechtet, herumkommandiert und behandelt wie ein Kleinkind. Er sah auf zugigen Fluren hinter lieblos aufgestellten Paravents liegende alte Menschen, für die sich niemand mehr interessierte. Nein, so wollte, so durfte er nicht enden!, ging es ihm durch den Kopf. Nicht auf so einem Gang, auf dem Putzfrauen hastig ein paar Züge aus ihrer Zigarette nahmen, ehe sie damit fortfuhren, die schimmelgrauen Böden zu scheuern.
    Die Wahrscheinlichkeit, dass er tatsächlich an Krebs erkrankt war, stand eins zu neunundneunzig. Doch Helmut Jansen, eins neunundsiebzig groß, zweiundachtzig Kilogramm schwer und zweimal geschieden, hatte Angst.
     
    W as ist denn da drüben bei euch los?«, fragte Johanna, diesmal ohne das übliche Vorgeplänkel, gerade heraus. »Ich habe kürzlich mit Rainer gesprochen, und er wirkte, offen gesagt, ziemlich aufgeregt. Ulrike, muss ich mir Sorgen machen?«
    »Sorgen? Nein, Mutter!«, log Ulrike. »Du kannst ganz beruhigt sein, ich habe die Nacht bei Britta verbracht, weil wir mal unter uns sein wollten. Frauenabend, mal ganz ohne Männer! Klaus war ein paar Tage weg«, log sie, »und da haben wir die Köpfe zusammengesteckt!«
    »Ohne Rainer etwas davon zu sagen?«
    »Unsinn! Er wusste, wo ich bin!«, antwortete sie und dachte: Was zum Teufel geht dich das an! »Aber viel wichtiger ist die Sache mit Janek. Rainer hat mir alles

Weitere Kostenlose Bücher