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Die äußerst seltsame Familie Battersby (German Edition)

Die äußerst seltsame Familie Battersby (German Edition)

Titel: Die äußerst seltsame Familie Battersby (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. Archer
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war er tot. Die dreihundert Faden, die dazwischenlagen, hätte er als extrem unangenehm empfunden.

Wie ein Fegefeuer funktioniert

52. Kapitel
    Als Erstes bemerkte Ralph, dass es keine Farben mehr gab. Aber das Fegefeuer war auch nicht schwarz-weiß. Es war eher in satte Grautöne getaucht, in denen sich wie beim Tweed Tausende von Farben verbargen, Sprenkel von Immergrün und Goldrute, all die Grautöne, die sich noch in den Farben getrockneter Blumen finden.
    Außerdem war es dort – unendlich tief unter dem Meer – Gott sei Dank trocken.
    Als Drittes bemerkte Ralph, dass es definitiv keine Geister und Zombies gab. Die Leute, die an ihm vorbeikamen, sahen eigentlich aus wie normale Leute vom Land. Sie wirkten höchstens ein bisschen gedankenverlorener und düsterer in ihrer Stimmung. Ralph hatte zwischen den Ästen eines abgestorbenen Baums wieder seine menschliche Gestalt angenommen. Jetzt versuchte er sich zu orientieren, während er von dort aus Leute in ihrer schiefergrauen Stadt ein- und ausgehen sah. Er brannte darauf, die Suche nach Beatrice fortzusetzen. Aber zuerst musste er wissen, ob die Menschen dort unten versuchen würden, ihn umzubringen.
    Moment mal – er war doch schon tot! Konnte er überhaupt noch umgebracht werden?
    Die Vorstellung, dass er tot war, machte ihm plötzlich Angst. Um sich abzulenken, versuchte er zu erraten, welche Haarfarbe die unter ihm herlaufenden Bauern gehabt hätten, wenn sie nicht ergraut gewesen wären. Blonde Haare zu erkennen, war einfach, rote von braunen Haaren zu unterscheiden, sehr viel schwieriger.
    Er belauschte die Gespräche und wartete ungeduldig darauf, dass der Name Beatrice fiel. Die Menschen unterhielten sich hauptsächlich über bäuerliche Dinge – Brotlaibe, Abgaben, Hunde. Nach einer Weile fiel Ralph ein Ausdruck auf, der offenbar in aller Munde war: die Krallen spüren. Er konnte sich keinen Reim darauf machen und hörte noch genauer hin.
    Das Gespräch fand zwischen zwei Waschweibern statt ( Die hätten mit Sicherheit beide graue Haare , dachte Ralph). Sie schleppten Körbe voll nasser Wäsche zum Stadttor. Alle paar Schritte machten sie eine Pause. Anscheinend hießen sie Ada und Alda. »Ich habe gehört«, sagte Ada, »dass Antonia die Krallen gespürt hat.«
    »Nein! Wann denn?«
    »Heute Morgen. Sie war gerade dabei, die Faltblätter für die Messe zu verteilen, und plötzlich ist sie noch weißer geworden, als sie sonst schon ist. Sie hat versucht, es zu überspielen – du kennst doch Antonia. Aber wir haben alle gewusst, was los ist.«
    »Ich verstehe nicht, dass manche Leute glauben, sie könnten es verbergen. Nach allem, was bereits geschehen ist, sollte man gar nicht erst versuchen, ein Geheimnis daraus zu machen«, knurrte Ada und zerrte an ihrem Wäschekorb.
    »Du hast sie doch noch nicht gespürt, Ada, oder?«
    »Nein«, fuhr Ada sie an, »natürlich nicht!«
    Schweigend schleiften sie ihre Körbe weiter, bis sie außer Hörweite waren. Ralph musste sich an einem Ast entlanghangeln, um sie weiter belauschen zu können. »Seit wann ist Antonia eigentlich bei uns?«, fragte Ada.
    »Das weiß keiner mehr so genau. Als ich Aurelio erzählt habe, dass sie die Krallen gespürt hat, hat er versucht, es auszurechnen. Seit einundvierzig Tagen oder so, glaubt er.«
    Ada seufzte automatisch, wie man es tut, wenn von traurigen, aber weit entfernten Dingen die Rede ist. »Arme Antonia! Jetzt ist sie eine schmutzige Untote.«
    Alda schüttelte den Kopf. »Wirklich traurig!«
    »Lass uns Gid vertrauen!«
    »Ja, lass uns ihm vertrauen!«
    Sie erklommen den Hügel und verschwanden.
    Ralph kletterte vom Baum. Die Sonne schien jetzt unterzugehen (was schwer einzuschätzen war, so ganz ohne Farben). Daher hielt er es für klüger, sich nach Einbruch der Nacht innerhalb der Stadtmauern aufzuhalten.
    In der Stadt bemerkte er etwas, das ihm nun schon häufiger aufgefallen war: Die Leute vermieden auch hier jeden Blickkontakt mit ihm, dem Fremden. Während er durch die kopfsteingepflasterten Straßen ging, fühlte er sich so einsam wie noch nie seit jenem schrecklichen Schuljahr, in dem er wegen Ritter Helmgart vom Lorbeerkranz gehänselt und auf keine Geburtstagsfeier mehr eingeladen worden war.
    Ralph schaute unauffällig an sich herab. Was war eigentlich so befremdlich an ihm? Eigentlich sah er doch ganz normal aus, oder? Eine Hose, dazu ein rotes T-Shirt, an dem noch getrocknetes Meersalz klebte. Die Haare fettig, aber nicht allzu zerzaust, die

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