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Die äußerst seltsame Familie Battersby (German Edition)

Die äußerst seltsame Familie Battersby (German Edition)

Titel: Die äußerst seltsame Familie Battersby (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. Archer
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nächsten Morgen wieder die Sonne auf den Pelz brennen würde. Wie es sich wohl anfühlte, an Sonnenbrand zu sterben?
    Doch diese Frage musste er sich nur eine Nacht lang stellen. Denn im Morgengrauen hörte er, dass etwas Großes gegen sein Schiffchen klatschte.
    Kurz darauf tauchte ein Wal aus dem Meer auf und versprühte eine gigantische Wolke aus Kondenswasser. Er schraubte sich mehrmals in die Luft und versank jedes Mal mit lautem Platschen im Wasser, ehe er auf Ralphs gefährlich schaukelnde Nussschale zuglitt. Sein Kopf, der viel größer war als das Schiffchen, ragte aus der Wasseroberfläche. Er trug einen schneidigen Stahlhelm mit verkrusteten Nieten.
    »Hallo«, begrüßte Ralph seinen Besucher.
    Als Antwort erwartete er einen männlichen Bariton. Aber die Stimme, die ihm entgegenpiepste, war so hoch, dass er sie gerade noch hören konnte. »Du bist Ralph?«, fragte der Wal.
    »Ja.«
    »Ich soll dich in vierhundert Faden Tiefe bringen. Eine Gefälligkeit des Erzählers. Bist du bereit?«
    »Wer ist der Erzähler?«
    »Komm schon, beweg dich!«
    »Was denn, soll ich mich an deiner Flosse festhalten?«
    »Rückenflosse, bitte, sonst kann ich nicht steuern.«
    Der Wal machte einen Buckel. So ragte der entscheidende Teil seines Rückens, der mit der Flosse, aus dem Wasser. Vorsichtig kletterte Ralph aus seinem Bötchen. Er packte die Flosse und warf einen bewundernden Blick auf den prachtvollen Helm und die massiven Stahlplatten, die mit Schraubbolzen an der Schwanzflosse des Wals befestigt waren. »Bist du Soldat?«, fragte er.
    Durch sein Nicken hätte der Wal Ralph beinahe ins Meer geschleudert. »Bin gerade eingezogen worden. Die Pflicht ruft.«
    »Ja«, bestätigte Ralph, und der Wal tauchte ab. Wie nicht anders zu erwarten war, wurde Ralph sofort abgeworfen und blieb an der Oberfläche der Eisernen See zurück wie ein auf dem Wasser tanzender Korken. Minuten später tauchte der Wal wieder auf. »Was ist los?«, fragte er.
    »Ich konnte mich nicht festhalten. Keine Chance.«
    »Oh, daran hätte ich denken sollen«, sagte der Wal und ließ entmutig die Flossen hängen.
    »Ist noch nie jemand auf dir geritten?«
    »Kälber natürlich schon. Aber keine Menschen.«
    »Könntest du langsamer tauchen?«
    »Nicht wenn wir vierhundert Faden tief tauchen wollen. Dafür brauche ich mehr Schwung. Aber ich habe eine Idee. Steig mal kurz ab!«
    Ralph kletterte wieder in sein schaukelndes Bötchen und wurde Zeuge, wie der Wal einen komplizierten Tanz vollführte, bei dem Kopf und Schwanz samt Panzerung unter der Wasseroberfläche herumwirbelten. Dabei schien er zu singen.
    Als er wieder auftauchte, hatte er zwei Wassergeister im Schlepptau. (Für alle, die keine Wassergeistern kennen: Sie sind fast konturlos und so schön wie Sprühnebel aus Rasensprengern im Sonnenlicht.)
    Sie waren mit einem glänzenden Stück Seil gekommen, das sie auf Befehl des Wals um Ralphs Handgelenke und Knöchel banden. Dabei kicherten sie und knufften ihn, und er schauderte vor Behagen unter ihren duftigen Berührungen. Dann klappte der Wal sein Maul auf und entblößte die langen Barten. Es gab einen Wortwechsel in irgendeiner Meeressprache, und die Geister hoben Ralph aus dem Spinnweben-Kokon-Boot, um ihn dort zu platzieren, wo sich die Vorderzähne des Wals befunden hätten, hätte er welche gehabt. Sein Maul war mit schmierigem Plankton bedeckt und roch wie ein Hafenkai an einem heißen Sommertag.
    Als der Wal Ralph fragte, ob er bereit sei, nickte er. Eigentlich aber hätte er gern gewusst, wozu er sich da gerade bereit erklärt hatte.
    Der Wal tauchte wieder ab. Schon normale Schwanzflossen eines Wals verfügen über die kräftigsten Muskeln, die es im ganzen Tierreich gibt – aber magische Schwanzflossen erst! Ralph wurde sofort von Tausenden Litern Wasser bedrängt. Sie klappten ihm die Augenlider hoch, pressten sich durch Lippen und Rachen in die Kehle, füllten ihm Magen und Lunge. Er wurde mit Plankton bombardiert, von dem sich die schlaueren Vertreter an seine Kleider klammerten, während die anderen in den Schlund des Wals gesogen wurden.
    Der Wal und Ralph tauchten tiefer und tiefer, bis alles nur noch schwarz und kalt war. Der plötzliche Druckanstieg ließ Ralphs Trommelfelle platzen. Das hätte schrecklich wehgetan, wenn das Gefühl, auf den Meeresgrund zuzurasen, nicht so überwältigend gewesen wäre. Hundert Faden unter der Oberfläche hatte Ralph das Bewusstsein verloren. Was gut war, denn in vierhundert Faden Tiefe

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