Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)
Instituts für Forensische Psychiatrie an der Berliner Charité. Als junger Mann, in den 1970er Jahren, galt er als Verfassungsfeind. Er engagierte sich in ultralinken Studentenkreisen. Für die Bundestagswahl 1976 kandidierte er auf einer kommunistischen Liste. Er wurde sogar wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt einmal angeklagt.
Heute erzählt Kröber gerne davon, auch im Fernsehen. Mit einer rebellisch-linken Vergangenheit lässt sich hübsch kokettieren, wenn man längst zum bürgerlichen Establishment gehört. Kröber ist einer der renommiertesten Gerichtspsychiater Deutschlands. In vielen spektakulären Prozessen ist er aufgetreten. Als sich Jörg Kachelmann wegen Vergewaltigung vor dem Landgericht Mannheim verantworten muss, ist es wesentlich der Gutachter Kröber, der die Glaubwürdigkeit des angeblichen Opfers, Kachelmanns Exfreundin, erschüttert. Der Wettermoderator wird 2011 freigesprochen.
Hans-Ludwig Kröber ist eine scheinbar unfehlbare Instanz vor Gericht. Im Fall Mollath zieht er später über Simmerl süffisant her. Der Kollege habe nur »sehr beschränkte Aktenkenntnis« und die psychiatrischen Vorbefunde nicht zur Kenntnis genommen, urteilt er, ohne jemals mit Simmerl auch nur ein Wort über dessen Methodik oder gar den Fall Mollath gewechselt zu haben. Stattdessen unterstellt Kröber Simmerl, dieser habe es »offenbar durchaus für naheliegend gehalten«, dass die Frau Mollaths in große kriminelle Geldverschiebegeschichten verwickelt gewesen sei, dass die Beschuldigungen Mollaths also wahr und dieser insbesondere im Stande sei, über seine finanziellen Angelegenheiten realistisch zu urteilen. Und Kröber schiebt herablassend nach: »Bei Kenntnis der Sachlage vermag dieses Gutachten Dr. Simmerls durchaus Verwunderung zu erwecken.«
Dazu später mehr. Hier nur so viel: Auch nach dem Besuch Simmerls sollte Mollath noch mehr als fünf Jahre unfreiwillig in der Psychiatrie bleiben.
Kapitel 3
Gebrüll im Gerichtssaal: Eine Verhandlung mit Folgen
Concepción Vila Ambrosio ist empört. So empört, dass sie sich später zu Hause hinsetzt und einen wütenden Brief an das Gericht schreibt. Denn was sie an jenem 8. August 2006 in einem Verhandlungssaal des Nürnberger Justizpalastes erlebt, erschüttert sie zutiefst. Das Verfahren mit dem Aktenzeichen 7 KLs802 Js 4743/2003, das am 8. August 2006 vor der 7. Strafkammer verhandelt wird, ist Landgerichtsroutine, Juristenalltag: »Körperverletzung u.a.« heißt es auf der Sitzungsankündigung. Ursprünglich wurde der Fall vor dem Amtsgericht Nürnberg verhandelt. Weil dort jedoch Zweifel am Geisteszustand und damit an der Schuldfähigkeit des Angeklagten aufkamen (unter fragwürdigen Umständen), wurde der Fall an das Landgericht verwiesen. Concepción Vila Ambrosio erlebt den Prozess dort von den Zuschauerbänken aus, sie hat Zeit an diesem Tag. Sie hat den Angeklagten schon mal gesehen, auf gemeinsamen Demonstrationen für den Frieden an der Nürnberger Lorenzkirche. Aber wirklich kennen? Nein, gesehen hat sie ihn dort, mehr nicht.
Auf der Anklagebank sitzt Gustl Mollath. Er soll fünf Jahre zuvor seine Ehefrau verprügelt und ein Jahr später für anderthalb Stunden gegen ihren Willen in ihrem ehedem gemeinsamen Haus festgehalten haben. Außerdem soll Mollath zwischen dem 31. Dezember 2004 und dem 1. Februar 2005 Autos beschädigt haben. Teilweise soll er die Reifen der Wagen so raffiniert zerstochen haben, dass die Luft erst während der Fahrt langsam entwich, was schlimme Folgen nicht nur für die Insassen der Fahrzeuge hätte haben können.
Über Mollath zu Gericht sitzt als Vorsitzender Richter Otto Brixner. Bereits zwei Jahre vor diesem Prozess, im Februar 2004, hat Brixner ein Telefonat geführt, in dem er sich über den Angeklagten ausgelassen hat, über den er nun neutral, unbefangen und unparteiisch zu urteilen hat, aber das weiß zu diesem Zeitpunkt keiner der Beteiligten. Auch dass die Behörde, bei der Brixner angerufen hat, aufgrund dieses Telefonats einen Vermerk gemacht hat, weiß keiner der Zuschauer des Prozesses. »Spinner« hat ein Mitarbeiter der Nürnberger Steuerfahndung nach dem Telefonat mit Brixner über Gustl Mollath notiert. So geht es aus einer internen Notiz des Bayerischen Landesamts für Steuern hervor, die ein Steuerfahnder im Februar 2004 erstellt hat.
Aus einer anderen, internen Stellungnahme erschließt sich, dass sich der Dienststellenleiter der Steuerfahnder und Otto Brixner kannten. Der Steuerfahnder
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