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Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)

Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)

Titel: Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Ritzer , Olaf Przybilla
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schreibt, »Brixner, der mir und dem ich bekannt war«, habe ihn angerufen, nachdem die Behörde zuvor bei Gericht um Informationen über den Fall Mollath gebeten hatte. Merkwürdig nur, dass der Fall Mollath zu diesem Zeitpunkt noch beim Amtsgericht Nürnberg anhängig war. Brixner jedoch war damals schon Richter am Landgericht. Er war allenfalls ganz am Rande in die Causa involviert. Warum ruft er im Februar 2004 bei der Steuerfahndung an? Aus eigenem Antrieb, wenn ja, woher rührte der? Oder hatte ihn jemand gebeten, bei der Finanzbehörde zu intervenieren? Wenn ja, wer? Und wie kam es zu dem Vermerk »M.=Spinner«? Aufgrund welcher Kenntnisse richtete der Richter Otto Brixner über den Bürger Gustl Mollath, den er so beschrieben haben muss, dass der Steuerfahnder zum Schluss kam, Mollath sei ein »Spinner«? Notwendige Fragen, auf die der heute pensionierte Otto Brixner uns gegenüber keine Angaben macht.
    Tatsache ist, Otto Brixner rief den Dienststellenleiter der Steuerfahndung an. Die Behörde hatte zuvor beim Gericht um einen Rückruf in der Sache Mollath gebeten. Der Anruf des Richters Brixner mündete schließlich in eine Aktennotiz: »Bei M. handelt es sich offensichtlich um Querulanten, dessen Angaben keinen Anlass für weitere Ermittlungen bieten.«
    Hätte nicht dieser Anruf allein Otto Brixner disqualifiziert, zwei Jahre später, im August 2006 über Gustl Mollath zu urteilen? Ein Rechtsstaat garantiert, dass jeder Angeklagte, unabhängig von den Vorwürfen gegen ihn, das Recht auf ein faires Verfahren hat. Dass ihm die Richter unvoreingenommen begegnen. Brixner darf man nach dem Anruf bei der Steuerfahndung unterstellen, dass es nicht weit her war mit seiner Unbefangenheit.
    Was zu diesem Zeitpunkt keiner weiß: Brixner war, nach eigenen Angaben, zumindest ein Jahr lang Handballtrainer des Mannes, der Mollaths Exfrau heiratete.
    Die Zuschauerin Concepción Vila Ambrosio wird am 8. August 2006 zur Augenzeugin in einem Prozess, bei dem es mutmaßlich nicht mit rechten Dingen zuging. Sie schreibt einen Brief an Brixner, der laut Stempel am 18. August 2006 beim Nürnberger Landgericht eingeht. Dieser Brief ist heute ein wichtiges Dokument. »Wie kommt es dazu«, fragt die am Verfahren ansonsten unbeteiligte Frau, dass ein »verantwortlicher und gesunder Richter« einen angeblich kranken Angeklagten stundenlang »malträtiert« und »provoziert«? »Respektabler Vorsitzender Richter«, schreibt die in Spanien geborene Vila Ambrosio, wie komme es dazu, dass er, Brixner, »keine Achtung und Respekt« für den Angeklagten gezeigt habe? Mollath habe großes Durchhaltevermögen bewiesen und »nicht die Haltung und Respekt Ihnen gegenüber verloren«. Immerhin sei er »ununterbrochen angeschrien« worden – über einen Zeitraum von immerhin acht Stunden. »Sehr unbeherrscht und sehr zornig« habe er sich verhalten, wirft sie Richter Brixner vor. »Warum nahmen Sie Herrn Mollath die menschliche Würde ab?« Das ist eine gute und wichtige Frage. Brixner hält, laut Urteil, Mollath für krank. Er brüllt also offenkundig an jenem 8. August 2006 mehrere Stunden lang einen für ihn kranken Menschen zusammen.
    Otto Brixner ist ein strenger Verfechter von Law and Order. Kurz vor seiner Pensionierung hält der Oberstleutnant der Reserve und ehemalige Handballspieler ein ungewöhnliches Plädoyer für hartes Durchgreifen. Die lebenslange Strafe in der jetzigen Form gehöre abgeschafft, fordert Brixner im Mai 2008 in der Nürnberger Abendzeitung. Im Schnitt bleibe ein zu »lebenslänglich« verurteilter Straftäter 15 Jahre in Haft, wenn überhaupt. Brixner plädiert in dem Interview dafür, Verbrecher bis zu 40 Jahre wegzusperren. »Das ist gerechter«, sagt er. Wer härtere Strafen fordert, erhält immer den Beifall der Straße. Die Boulevardzeitung kürt Brixner dafür zum »mutigen Richter« und druckt sein Bild ab.
    Darauf, dass Otto Brixner 21 Monate vor dem Zeitungsartikel im Verfahren gegen Gustl Mollath eine nach rechtsstaatlichen Maßstäben sehr fragwürdige, ja skandalöse Verhandlungsführung an den Tag legte, deutet nicht nur der Brief der entsetzten Zuschauerin hin. Zwei weitere Augenzeugen bestätigen die Darstellung Vila Ambrosios, darunter ein am Verfahren beteiligter Laienrichter. Wie sehr in ihrem Rechtsempfinden irritiert muss eine Frau sein, die in Zusammenhang mit einem Fall, der sie persönlich nichts angeht, zur Feder greift, um einem Richter in Deutschland ihre Empörung über dessen

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