Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)
unter Wahnvorstellungen leide. Er wisse außerdem, dass alles, was er über illegale Geldgeschäfte schildere, der Wahrheit entspreche. So sagt das Mollath an jenem 21. September 2007 zu Hans Simmerl, dem Nervenarzt aus Deggendorf-Mainkofen. Er sagt auch: Der springende Punkt sei eben, dass ihm, Mollath, diese Geschichte nicht geglaubt werde. Und er deshalb als wahnhaft hingestellt werde. Seine Exfrau jedenfalls und die Bankvorstände der Hypovereinsbank hätten kein Interesse an einer Aufdeckung dieser ganzen Vorgänge. Aber er versuche, sich nicht mundtot machen zu lassen.
Simmerl hat alles zu Protokoll genommen in seinem Gutachten. Obwohl da einer redete, der zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als ein Jahr in die geschlossene Anstalt gesperrt worden war. Eine ziemlich merkwürdige Geschichte. Er wollte sie nicht undokumentiert lassen. Egal wie harsch die – zu dem Zeitpunkt völlig unbewiesene – Kritik an Banken, Justiz und seinen Kollegen in der Psychiatrie ausfiel, mit der ihn da ein, zumindest nach Aktenlage, schwer wahnkranker Mensch konfrontierte.
Der Facharzt Hans Simmerl schreibt an jenem Spätnachmittag im September 2007 aber nicht nur mit, was ihm Mollath erzählt. Er stellt eine Diagnose, im Gutachten liest sich diese so: Mollath sei psychomotorisch auffällig ruhig, lasse auch kritische Zwischenfragen problemlos zu und beantworte diese durchaus differenziert. Simmerl findet keinen Hinweis auf eine Denkstörung, Mollaths Gedankengang wirke geordnet. Er sei erheblich auf die »vermeintlichen oder tatsächlichen« Schwarzgeldkonten seiner geschiedenen Frau fokussiert gewesen. In der Sache, bemerkt Simmerl, bestehe bei Mollath im Jahr 2007 weiterhin eine hohe subjektive Überzeugung, wenn nicht gar Gewissheit: Die finsteren Bankgeschäfte im Umkreis seiner Frau existierten.
Der Gutachter zieht daraus einen wichtigen Schluss: Zwar mögen weitere Verhaltensweisen Mollaths »paranoid anmuten«. Diese würden aber aus der subjektiv empfundenen Vorgeschichte ableitbar und nachvollziehbar begründet. Das heißt: Sollte da einer einen wahnhaften Eindruck machen – dann könnte man das aufgrund dieser Vorgeschichte nachvollziehen.
Simmerl attestiert, dass Mollath in der Lage sei, einige seiner Thesen kritisch zu hinterfragen und auch einzuräumen, dass er sich in gewissen Ausnahmesituationen in seinen Überzeugungen »etwas verrannt« haben könnte. Mit absoluter Gewissheit bleibe er aber bei seiner Darstellung der tatsächlichen oder vermeintlichen Schwarzgeldkonten seiner geschiedenen Frau in der Schweiz, die er als Ausgangspunkt sämtlicher folgender Ereignisse sehe. Hinweise für eine psychotische Erkrankung findet der Facharzt aus Deggendorf-Mainkofen nicht. Eher solche auf querulatorische Züge und eine rechthaberische Grundhaltung Mollaths.
Gustl Mollath wisse, schließt Simmerl, über seine wirtschaftlichen, sozialen und finanziellen Verhältnisse Bescheid. Insofern Simmerl auch nicht erkennen könne, weswegen Mollath als geschäftsunfähig gelten solle. Mit anderen Worten: Hans Simmerl sieht keinen Grund, Mollath unter gerichtliche Betreuung zu stellen. Gegen Ende seines 41 Seiten umfassenden Gutachtens kommt er zu dem Schluss: »Der Unterzeichner vermag nicht mit letzter Sicherheit den Wahrheitsgehalt der Aussagen des Herrn Mollath zu beurteilen. Ob es sich dabei tatsächlich um Wahneinfälle, um verzerrt wahrgenommene Begebenheiten mit gewissem realistischen Kern oder tatsächlich um die Wahrheit handelt, vermag der Unterzeichner nicht mit Sicherheit zu sagen. Es kann allerdings festgestellt werden, dass die Schilderungen des Betroffenen nicht bizarr, völlig unrealistisch oder kulturfremd waren. Diese Kriterien, die für schizophrene Wahnideen genannt werden, sind mit Sicherheit nicht erfüllt.«
Am Ende bleibt: Ein erfahrener Psychiater findet bei einer Untersuchung im September 2007 keinen Hinweis auf eine psychische Erkrankung des Gustl Mollath.
Aber: Hans Simmerls Gutachten diente dazu, die Notwendigkeit einer Betreuung zu klären. Also beauftragt die zuständige Strafvollstreckungskammer in Regensburg einen externen Gutachter mit einem kriminalprognostischen Gutachten. Einen, der Mollath zwar nie selbst untersuchen wird, jedoch einen deutlich prominenteren Namen hat als Hans Simmerl. Hans-Ludwig Kröber aus Berlin.
Kröber, 1951 als Sohn eines Psychiater-Ehepaares in Bielefeld geboren, ist Professor für Forensische Psychiatrie an der Freien Universität Berlin und seit 1996 Direktor des
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