Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)
Verhandlungsführung mitzuteilen? Sie habe ihn als Richter in keinem Moment wie jemanden erlebt, der sich im Griff hat, wirft sie Brixner vor. Vielmehr wie einen »Diktator« und eben nicht wie einen, der von sich sagen darf, er wäre ein »souveräner, gerechter, achtender und würdiger Richter«.
Die Altenpflegehelferin kritisiert nicht nur den Stil der Verhandlung, sondern sie gibt auch wichtige Beobachtungen wieder, die Zweifel an der korrekten Prozessführung aufkommen lassen. Sie findet es unentschuldbar, dass Brixner die Gustl Mollath belastenden Aussagen von Zeugen – im Wesentlichen: seiner ehemaligen Frau – einfach »so hingenommen« habe. Und »überhaupt von Ihnen nichts hinterfragt wurde«. Interessant: Hier geht es um eine, um es im Juristendeutsch zu sagen, strafprozessuale Frage. Nämlich die, ob man in einer Angelegenheit häuslicher Gewalt die Aussage einer der beiden Parteien mehr oder minder einfach übernehmen darf, weil diese – wie es im Urteil heißt – die behauptete Tat »ruhig, schlüssig und ohne jeden Belastungseifer« darlegt. Oder ob das so gar nicht geht.
Spricht man Concepción Vila Ambrosio heute auf den Prozess an, dann sagt sie: Diese Verhandlung bei Gericht habe sie bewegt wie kaum etwas anderes. Sie habe Mollath bis dahin allenfalls flüchtig gekannt. Sie stehe zu allem, was sie damals geschrieben habe – weil sie es so furchtbar finde, »dass so etwas in Deutschland möglich ist«.
Es ist auch sechs Jahre nach der Verhandlung nicht leicht, mit Otto Brixner über seine Art der Prozessführung in einen Dialog zu treten. Brixner ist seit 2008 pensioniert, wer bei ihm Ende des Jahres 2012 anruft, muss sich darauf gefasst machen, kaum einen Satz, kaum eine Frage zu Ende sprechen zu dürfen. Der Fall Mollath? Die »ganze journalistische Aufregung geht vollkommen an der Sache vorbei«, sagt er in barschem Ton. Man muss sehr bestimmt dagegenhalten und Brixner darauf aufmerksam machen, dass dies das Angebot in der Sache recherchierender Journalisten ist, sich zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen zu äußern. »An den Haaren herbeigezogen« seien all die Fragen, die da nun öffentlich aufgeworfen würden. Ihn treibe sogar der Verdacht um, dass die »bayerische Staatsregierung in den Schmutz gezogen« werden solle mit der Berichterstattung. Und im Übrigen: Nichts, »gar nichts« habe das Gericht zurückzunehmen, sagt Brixner. Das Urteil sei vom Bundesgerichtshof längst bestätigt. Alles rechtskräftig und damit alles in Ordnung also. Und um »Schwarzgeld« sei es im Prozess nicht gegangen, das habe »keine Rolle gespielt in diesem Verfahren«. Der pensionierte Richter ist bis heute von sich überzeugt: »Was wir in dem Verfahren gemacht haben, daran gibt es aus meiner Sicht nichts zu ändern.«
Das nächste Telefongespräch mit Otto Brixner findet an einem Tag statt, an dem mehrere große Medien über den Fall berichten. Es ist nicht rühmlich für die Justiz, was da über die Sache Mollath zu lesen steht. Brixner wirkt jetzt ruhiger, weniger aufbrausend. Er unterbricht nicht mehr, hört sich Fragen tatsächlich bis zum Ende an. Kann er sich an den Beschwerdebrief dieser Spanierin mit dem nach deutschen Maßstäben ungewöhnlichen Namen erinnern?
Nein, antwortet Brixner.
Es werde ihm darin vorgeworfen, er habe sich im Prozess wie ein »Diktator« aufgeführt, habe Mollath stundenlang angeschrien und ständig unterbrochen.
»Ich habe den Herrn Mollath meiner Meinung nach ordnungsgemäß behandelt«, sagt Brixner. Er dürfte wissen, dass seine Verhandlungsführung in Nürnberger Justizkreisen durchaus als ungewöhnlich galt. Mindestens als ungewöhnlich.
Gab es oft Kritik an seiner Verhandlungsführung?
»Die einen sagen so, die anderen so«, antwortet Brixner.
Nimmt er sich die Kritik zu Herzen?
»Das Urteil ist längst bestätigt, ich weiß nicht, was das Ganze soll.«
Kurze Zeit nach diesem Gespräch mit Brixner veranlasst die bayerische Justizministerin Beate Merk, die Staatsanwaltschaft möge einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens stellen. In der öffentlichen Wahrnehmung sind die Widersprüche und Ungereimtheiten im Verfahren längst zu stark geworden. Selbst führende CSU-Politiker betonen, dass keine Zweifel bleiben dürfen an der Rechtmäßigkeit eines Verfahrens. Denn auch die Justiz, so unabhängig sie agieren soll und muss, braucht die Akzeptanz der Bürger.
Was die angebliche »journalistische Aufregung« soll? Die Frage stellt sich wenige Wochen,
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