Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)

Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)

Titel: Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Ritzer , Olaf Przybilla
Vom Netzwerk:
sachbearbeitende Polizeioberkommissar im Ermittlungsbericht: »Anhand der getragenen Kleidung (Mantel und Mütze) schloss sie [Mollaths ehemalige Frau] bei der aufgezeichneten Person ihren früheren Mann nicht aus, da dieser solche Kleidungsstücke getragen hatte.« Neben Fotos aus der Videoüberwachung, welche die dunkle Gestalt an den Autoreifen hantierend zeigen, hat offenbar ein Polizeibeamter eine handschriftliche Notiz geschrieben: »Laut Exfrau könnte die Statur des Mannes auf Gustl Mollath zutreffen.«
    Später finden Beamte bei einer Hausdurchsuchung im Anwesen von Gustl Mollath Kleidungsstücke, »die Ähnlichkeiten wie die in den Videoaufzeichnungen aufweisen«. Gustl Mollath tut nichts, um den Vorwurf sachlich zu entkräften. »Ein Dialog mit ihm war zu keiner Zeit möglich«, schreibt der Ermittlungsführer. »Er schrie die gesamte Zeit wirre Äußerungen den Polizeibeamten und dem Unterzeichner entgegen. Den Tatvorhalt der Sachbeschädigungen ignorierte Mollath durch zynische Äußerungen gegen die Polizei und gegen den Polizeistaat.« Ein Verhalten, das die Beamten verständlicherweise nicht gerade als entlastend für ihn werteten.
    Bleibt bei alledem die Frage, ob Gustl Mollath während der Ermittlungen und vor allem während des fragwürdigen Prozesses vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth am 8. August 2006 keinen Anwalt hatte. Einen Verteidiger, der zusammentrug, was ihn entlastet hätte. Der dem offenkundig stundenlang brüllenden Richter hätte Einhalt gebieten müssen. Der das Leipziger-Gutachten hätte hinterfragen müssen. Der auf die Ungereimtheiten in Zusammenhang mit dem Zustandekommen des ärztlichen Attestes hätte hinweisen und auf die Vernehmung der Ärztin hätte drängen müssen. Oder der spätestens nachdem das Urteil geschrieben worden war, hätte protestieren müssen gegen den hanebüchenen Unsinn in vielen Punkten.
    Gustl Mollath hatte in dem Verfahren einen Verteidiger, einen Pflichtverteidiger: Thomas Dolmany, Rechtsanwalt aus Nürnberg, und als Strafverteidiger keineswegs ein Mann von schlechtem Ruf. Mollath vertraute ihm aber nicht, warum auch immer. Vertrauen ist aber die Basis jedweder Beziehung zwischen Anwalt und Mandant. Umgekehrt war auch für den Anwalt Dolmany der Mandant Mollath ein großes Problem, denn er kooperierte nicht. Das Problem hätte einfach gelöst werden können, indem das Gericht, indem Richter Brixner, den Anwalt Dolmany von seiner Pflichtverteidigung entbunden hätte. Beide, Mollath und der Anwalt, wollten diese Zusammenarbeit nicht. Bei der Recherche, warum das Gericht dies ignoriert hat, landet man beim nächsten haarsträubenden Versäumnis.
    Mollath bat schriftlich darum, Dolmany von dem Mandat zu entbinden. Bei der Amtsgerichtsverhandlung am 22. April 2004 wiederholt er den Antrag. Das Gericht lehnt ab, »da eine ernsthafte Störung des Vertrauensverhältnisses nicht substantiiert dargelegt wurde«. Am 7. Mai 2004 erneuert Mollath den Antrag, offenbar wieder vergeblich. Inzwischen wandert der Fall vom Amts- zum Landgericht.
    Thomas Dolmany will ebenfalls nicht mehr mit diesem schwierigen Mandanten arbeiten, am 15. Juni 2005 beantragt auch er beim Amtsgericht, ihn als Pflichtverteidiger zu entbinden. Beider Verhältnis sei völlig zerrüttet, seit Mollath an einem Freitagabend um 20:30 Uhr bei ihm vor der Kanzlei aufgetaucht sei und um Einlass gebeten habe. Weil er, Dolmany, so kurz vor dem Wochenende nicht geöffnet, sondern Mollath aufgefordert habe, sich in der kommenden Woche einen Termin geben zu lassen, habe dieser gegen die Tür getrommelt.
    Brixner wird dies später in seinem Urteil zur strafbaren Freiheitsberaubung machen, weil Dolmany noch eine Stunde in seiner Kanzlei geblieben sei, um ihm nicht vor der Tür über den Weg zu laufen. Der Antrag des Pflichtverteidigers auf Entbindung von dem Mandat wird vom Gericht aber ignoriert – obwohl zwischenzeitlich sogar die Staatsanwaltschaft riet, »dem Antrag stattzugeben«, da das Verhältnis zwischen Mollath und dem Anwalt »offensichtlich erheblich gestört« sei.
    Acht Monate nach seinem ersten Antrag bittet Dolmany erneut darum, von dem Pflichtmandat entbunden zu werden. Richter Brixner bescheidet ihm knapp: »Eine Entpflichtung kommt derzeit nicht in Betracht.« So geht das über Monate weiter. Weder Mollath will Dolmany als Pflichtverteidiger, noch will Dolmany Mollath als Mandanten. Das Gericht ignoriert das zerstörte Verhältnis zwischen Angeklagtem und Verteidiger. In dieser

Weitere Kostenlose Bücher