Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)
bereits mit dem damals zuständigen Beamten und dessen Vorgesetzten gesprochen. Einen solchen Vermerk gebe es jedoch nicht, versicherte der Präsident des Landesamtes für Steuern. Die Parlamentarier scheinen an diesem Tag Jüptner zu glauben.
Am nächsten Tag schon erwiesen sich die Aussagen Jüptners als unhaltbar, um nicht zu sagen: als falsch. Denn tatsächlich gibt es einen solchen Aktenvermerk der Steuerfahnder. Er datiert vom 10. beziehungsweise 11. Februar 2004 und lautet:
»In seiner Anzeige beschuldigt Mollath seine Frau zusammen mit anderen Personen (Bankmitarbeiter und Bankkunden) Geldtransfers ins Ausland vorgenommen zu haben. Ebenso bringt er vor, Richter H. habe ihn auf Drängen von Frau M. und anderer Personen auf seinen Geisteszustand untersuchen lassen. Bei vielen der genannten Namen handelt es sich um höherrangige Mitarbeiter der HVB und anderer Banken.« Die Steuerfahnder, so notiert einer von ihnen in dem Aktenvermerk weiter, hätten dann eine ihnen offenbar bekannte Richterin angerufen und um Auskunft darüber gebeten, was gerichtlich in der Sache laufe. Sie wusste nichts über den Fall Mollath, versprach aber, sich zu erkundigen. Am 11. Februar 2004 rief Otto Brixner bei den Steuerfahndern an »und bestätigte, dass bei Gericht ein Verfahren gegen M. vorlag«, wie es im Aktenvermerk der Steuerfahnder weiter heißt. »In dessen Verlauf sei die Untersuchung von M. wegen seines Geisteszustandes veranlasst worden. Das Aktenzeichen sei: 41 DS 802Js4743/03.
Aufgrund dieser Angaben kann davon ausgegangen werden, dass die vorgebrachten Anschuldigungen zumindest zum großen Teil nicht zutreffen und ggf. nicht überprüft werden können.
Weitere Ermittlungen erscheinen nicht veranlasst.«
Das Papier ist vom zuständigen Fahndungsprüfer unterzeichnet.
Zwischen zwei Absätzen dieses Aktenvermerks brachte offenbar noch am selben Tag der Vorgesetzte des Fahndungsprüfers folgenden handschriftlichen Vermerk an:
»Richter Brixner hat Beschwerde gg. AG-Beschluss als unzulässig verworfen; bei M. handelt es sich offensichtlich um Querulanten, dessen Angaben keinen Anlass für weitere Ermittlungen bieten.«
Dieser handschriftliche Zusatz trägt das Kürzel, die Paraphe des Vorgesetzten und ebenfalls das Datum 11. Februar 2004. Und es findet sich eine weitere verräterische, handschriftliche Gleichung in den Akten: »M.=Spinner.«
Tatsächlich verzichteten die Steuerfahnder danach auf jedwede Untersuchung der Mollath’schen Schwarzgeldvorwürfe. Das Verfahren wurde beendet, ehe es überhaupt ins Laufen kam. Der Aktenvermerk belegt damit dreierlei:
Erstens: Sehr wohl muss der Anruf des Richters Otto Brixner bei den Steuerfahndern ganz wesentlich dazu beigetragen, wenn nicht sogar überhaupt erst dazu geführt haben, dass die Ermittler Mollaths Vorwürfen nicht nachgingen.
Zweitens: Der Richter Brixner, der als Vorsitzender der 7. Strafkammer am Landgericht Nürnberg-Fürth am 8. August 2006 über den Angeklagten Gustl Mollath zu Gericht sitzen sollte, hatte sich offenkundig schon zwei Jahre zuvor festgelegt, dass dieser Mollath ein Mensch sei, dem man nicht glauben könne. Neutrale und unbefangene Prüfung eines Falles, wie das Gesetz sie einem Richter abverlangt, sieht anders aus.
Drittens: Roland Jüptner, Präsident des Landesamtes für Steuern, hat am 28. Februar 2013 im Rechtsausschuss des bayerischen Landtages nicht die Wahrheit gesagt. Er hat einen falschen Eindruck vermittelt, als er so tat, als sei der Anruf Brixners unwichtig gewesen, und als er die Existenz des Aktenvermerks verleugnete.
Aus einem weiteren Dokument der Steuerfahnder geht hervor, dass Brixner und der Vorgesetzte des federführenden Steuerfahnders sich gegenseitig kennen. Das war wohl auch der Grund dafür, dass zwar der Steuerfahnder um Informationen bei Gericht anfragte, Brixners Rückruf aber bei dessen Vorgesetztem einging.
Als die Süddeutsche Zeitung am 2. und am 4. März 2013 aus den Jüptner zufolge nicht existierenden Aktenvermerken zitiert, schäumt die Opposition im Landtag vor Empörung. »Schlicht belogen« fühlt sich Christine Stahl, Abgeordnete der Grünen und Landtagsvizepräsidentin. »Was im Landtag behauptet wurde, ist angesichts der Tatsachen ungeheuerlich«, schimpft Florian Streibl von den Freien Wählern. »Man geht als Abgeordneter nicht in einen Ausschuss, um eine Märchenstunde zu hören.« Selbst die größte Oppositionspartei SPD, die im Fall Mollath über Jahre hinweg Desinteresse an den Tag
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