Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)
Generalstaatsanwalt vermuten will. Denn warum sollte jemand, der legale Geldgeschäfte mit sauberem Geld in der Schweiz tätigt, seine Konten mit Codes tarnen? Sie »Pythagoras« nennen, oder »Laim 1112«?
Doch nicht einmal solche Fragen stellt sich die Staatsanwaltschaft. Wie wenig die Justiz Mollath ernst nimmt, zeigt auch die zeitliche Abfolge: Mollath übergibt den Schnellhefter am 25. September 2003 dem Amtsrichter. Der leitete ihn erst am 12. November 2003 an die Staatsanwaltschaft weiter. Begründung für die Verzögerung: »Aufgrund des Erscheinungsbildes und des gesamten Inhalts wurde dieser Hefter zunächst nicht als Strafanzeige aufgefasst.«
Ganz exakt sind die Vorgänge übrigens nicht mehr zu rekonstruieren, denn ein Teil der Gerichtsakten in Zusammenhang mit Gustl Mollaths Anzeige wegen Steuerhinterziehung ist inzwischen vernichtet. Völlig legal, versteht sich. Die bayerische »Verordnung über die Aufbewahrung von Schriftgut der Gerichte, Staatsanwaltschaften und Justizbehörden« sieht vor, dass Akten fünf Jahre nach der Einstellung eines Verfahrens vernichtet werden. Im Fall Mollath ist das im Nachhinein eine durchaus praktische Vorschrift.
Wenn schon nicht der anstrengende Schnellhefter, dann hätte aber zumindest eine weitere Strafanzeige von Gustl Mollath die Nürnberger Staatsanwaltschaft auf den Plan rufen müssen. Sechs eng beschriebene Seiten umfasst diese Strafanzeige, die Gustl Mollath am 9. Dezember 2003 schreibt und an sieben bundesdeutsche Strafverfolgungsbehörden schickt: die Generalstaatsanwaltschaften in Berlin und Hamburg, Finanzbehörden in Frankfurt, Berlin und Düsseldorf, den Generalbundesanwalt sowie die Staatsanwaltschaft in Frankfurt am Main. Nur nicht jene Ermittlungsbehörde, die eigentlich für sein Anliegen zuständig war: die Staatsanwaltschaft am Landgericht Nürnberg-Fürth.
Es ist anzunehmen, dass die Auswahl der Adressaten nicht zufällig ist. Mollath hat zu diesem Zeitpunkt längst jedes Vertrauen in die Nürnberger Strafverfolgungsbehörde verloren. Was freilich nichts daran ändert, dass die Adressaten Mollaths Strafanzeige vom 9. Dezember zuständigkeitshalber nach Nürnberg schicken. Dort wird sie Anfang 2004 registriert.
Schon nach erstaunlich wenigen Tagen und offenkundig nur nach der bloßen Lektüre weiß die zuständige Staatsanwältin, dass an den in der Anzeige geschilderten Vorwürfen der Schwarzgeld- und anderer illegaler Geldgeschäfte nichts dran sein kann. Am 9. Februar 2004 teilte die Staatsanwältin Mollath mit, dass sie »der Anzeige keine Folge« geben werde. Sie hätte ihm auch ganz unjuristisch lapidar schreiben können: Junge, vergiss es! Gut, das enge Schriftbild der Strafanzeige ist auf den ersten Blick wenig gefällig, und die aufgezählten Vorwürfe klingen in dieser Fülle übertrieben: »Steuerhinterziehung, Steuerumgehung, Geldwäsche, Anstiftung und Beihilfe dazu, Insidergeschäfte, Schwarzarbeit in Hunderten, ja Tausenden Fällen«. Dann ist die Rede von »Körperverletzung, Verdunkelung, Verschleppung, Falschanzeige, Nötigung«. Zugegeben, vielleicht ein bisschen viel auf einmal.
Knapp ein Jahrzehnt später weiß man allerdings, dass viele der Vorwürfe stimmen, die Gustl Mollath damals in seiner Strafanzeige erhoben hat. Es hat sehr wohl Schwarzgeldgeschäfte mit der Schweiz gegeben. Auch gegen das Geldwäschegesetz wurde dort offenkundig verstoßen. Es gibt auch zumindest Hinweise auf verbotene Insidergeschäfte mit Aktien. All das weiß man heute, weil Ende 2012 der bereits erwähnte, interne Revisionsbericht der Bank an die Öffentlichkeit gelangte, der genau diese Punkte enthält. Vieles von dem, was Mollath noch als Verdacht formuliert, sehen die Prüfer der HVB intern als erwiesen an, für anderes finden sie zumindest Verdachtsmomente, Spuren, Hinweise und Indizien.
Die Nürnberger Staatsanwältin begründet ihr Nicht-Ermitteln am 19. Februar 2004 so: »Der Anzeigeerstatter trägt nur pauschal den Verdacht vor, dass Schwarzgeld in großem Umfang in die Schweiz verbracht wird. Aus diesen unkonkreten Angaben ergibt sich kein Prüfungsansatz, der die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens rechtfertigen würde.« Neun Jahre später wird der Nürnberger Generalstaatsanwalt Hasso Nerlich immer wieder sagen, dass Mollath damals keine Beweise für seine Anschuldigungen und Behauptungen auf den Tisch gelegt habe.
Wie? Ist es nicht Aufgabe der Ermittlungsbehörden wie Polizei und Staatsanwaltschaft, Vorwürfen nachzugehen,
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