Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)
Fast gleichzeitig mit seiner Beförderung wird Peter Küspert zum Präsidenten des Nürnberger Oberlandesgerichts gewählt. Er und Nerlich kennen sich seit Jahrzehnten. Nerlich sagte der NZ -Reporterin, er freue sich auf die gute und harmonische Zusammenarbeit mit Küspert. Man sei einer Meinung, dass sich in Nürnberg wieder alles so fügen solle, wie es früher einmal war. Jahrelang hätten schließlich die armen Justizmitarbeiter unter den »Disharmonien« gelitten, so die Reporterin, welche zwischen den beiden Amtsvorgängern von Küspert und Nerlich geherrscht hätten. Da ist es doch schön, mag man hinzufügen, dass die zwei Neuen so kuschelig miteinander umgehen wollen, obwohl sie im Rechtsapparat doch eigentlich völlig unterschiedliche und streng getrennte Rollen spielen sollten: der OLG-Präsident als oberster der neutralen Richter und der Generalstaatsanwalt als Chef der Ankläger. Dass man diese strikte Trennung nicht gar so strikt interpretiert wissen will, darauf lässt eine gemeinsame Dienststelle schließen: Der Nürnberger OLG-Präsident und der Generalstaatsanwalt teilen sich gemeinsam einen Pressesprecher. Praktisch.
Auf der Internetseite der Nürnberger Zeitung kommentiert ein Leser dieses wohlige Miteinander so: »Man kennt sich, man schätzt sich, man schützt sich. Ein Richter (Jurisdiktion) wird Staatsanwalt (Exekutive), ein Staatsanwalt wird Richter. Man spielt zusammen Fußball und pflegt private Kontakte. Die Gewaltenteilung wird vollständig aufgehoben.« Gewaltenteilung ist zwar der falsche Begriff, aber ein vermutlich nicht nur in der Nürnberger Justiz vorhandenes Problem hat der Leser treffend beschrieben.
Die Auftritte von Generalstaatsanwalt Hasso Nerlich in der Affäre Mollath werden von Beobachtern im Landtag durchaus kritisch bewertet. »Er argumentiert selbst wie ein Politiker und nicht so, wie hohe Beamte dies normalerweise vor Landtagsausschüssen tun«, fällt einem Landtagskorrespondenten auf.
Von Anfang an übt Hasso Nerlich den Schulterschluss mit der bayerischen Justizministerin Beate Merk. Seite an Seite sitzt der Generalstaatsanwalt mit seiner Dienstvorgesetzten im Landtag und verteidigt monatelang vehement das Vorgehen der Nürnberger Justiz. Bis es nicht mehr geht. Nachdem Ende 2012 immer mehr Details ans Tageslicht gekommen sind, die immer größere Zweifel am Umgang von Staatsanwälten, Gutachtern und Richtern mit Gustl Mollath aufkommen ließen, greift Ministerpräsident Horst Seehofer ein. »So schnell wie möglich« müsse geklärt werden, »ob die Unterbringung des Herrn Mollath auch unter Berücksichtigung aller neuen Informationen gerechtfertigt ist«, verlangt er öffentlich.
Also kündigt Beate Merk ein Wiederaufnahmeverfahren an. Hasso Nerlich als zuständigem Generalstaatsanwalt ist es vorbehalten, den Wunsch der Ministerin umzusetzen. In einem nur wenige Zeilen umfassenden Schreiben weist er die ihm unterstellte Regensburger Staatsanwaltschaft an, beim zuständigen Gericht einen Antrag auf Wiederaufnahme zu stellen. Hasso Nerlich dürfte das nicht leichtgefallen sein – nach all der Vehemenz, mit der er das Vorgehen der Nürnberger Justiz bis dahin verteidigt hat. Sowohl das fragwürdige Urteil des Landgerichtes vom 8. August 2006 als auch das Nicht-Einleiten von Ermittlungen in Sachen Schweiz-Connection und Schwarzgeld durch die Staatsanwaltschaft. Denn Hasso Nerlich vermittelt den Eindruck, dass nach seiner Überzeugung im Fall Gustl Mollath offenkundig alles rechtsstaatlich völlig korrekt verlaufen sei.
Doch kaum müssen er und Justizministerin Merk unter dem Druck der breiten Öffentlichkeit und des Ministerpräsidenten dafür sorgen, dass der Fall Mollath wieder aufgerollt wird, kommt es erneut zu Vorfällen, die nicht geeignet sind, Vertrauen zu den handelnden Personen zu fassen.
Die mit der Wiederaufnahme befasste Staatsanwaltschaft Regensburg geht zweifellos mit Eifer und Sorgfalt ans Werk. Sie vermittelt den beruhigenden Eindruck, die Causa Mollath unvoreingenommen und seriös neu zu untersuchen. Gegenüber den Medien betont die Regensburger Staatsanwaltschaft dies immer wieder, hält sich ansonsten aber mit Details der Ermittlungen zurück. Ganz so, wie es Ermittlungsbehörden landauf, landab tun. Dann aber verpasst ihr Hasso Nerlich plötzlich einen Maulkorb.
Mitte Februar 2013 zieht der Nürnberger Generalstaatsanwalt ohne einen für die Öffentlichkeit ersichtlichen Grund das Auskunftsrecht in Sachen Wiederaufnahmeermittlungen an
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