Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)
beschleunigt.
Angenommen, die Steuerfahnder hätten Ermittlungen aufgenommen, dann wäre es unumgänglich gewesen, die Hypovereinsbank mit den Vorwürfen zu konfrontieren. Die Bank hätte den staatlichen Fahndern ihren geheimen Revisionsbericht vom März 2003 herausgerückt, in dem es wörtlich heißt, dass »alle nachprüfbaren Behauptungen« Mollaths der Wahrheit entsprechen. Zumal dann, wenn die Fahnder gezielt nach dem Revisionsbericht gefragt hätten, was in diesem Fall aber als sicher gelten darf. Denn es war zu dieser Zeit bereits aktenkundig, dass Mollath auch an Vorstände und andere Spitzenbanker der HVB geschrieben hatte. Also hätten die Fahnder auch davon ausgehen können, dass die Bank zumindest intern die Vorwürfe Mollaths überprüft hatte.
Mit dem Revisionsbericht auf dem Tisch hätte wohl niemand mehr behaupten können, dass Gustl Mollaths Geschichten über Schwarzgeld und andere illegale Geldtransfers Ausdruck eines gefährlichen Wahns seien. So weit die Theorie.
Da in der Praxis aber die Ermittlungen der Steuerfahnder nach Brixners Anruf im Keim erstickt sind, fragt auch niemand bei der HVB nach. Erst Ende 2011 bekommen die Behörden den Revisionsbericht zu Gesicht – da sind alle möglichen Straftaten bereits verjährt. Die Finanzbehörde leitet jedoch steuerrechtliche Ermittlungen ein, als es bereits Medienberichte und viele unangenehme Fragen zum Schicksal Gustl Mollaths gibt. Ausgerechnet Steueramtspräsident Jüptner schreibt nun an das seiner Behörde dienstvorgesetzte bayerische Finanzministerium:
»Im Jahre 2012 prüfte die Steuerfahndungsstelle des Finanzamts Nürnberg-Süd die Anzeige (Mollaths) erneut, nachdem der Steuerverwaltung erstmals der Revisionsbericht der HVB aus dem Jahre 2003 vorlag. Diese Prüfung führte zu Ermittlungen im Besteuerungsverfahren, nachdem nunmehr unter Berücksichtigung aller vorliegenden und weiterer beschaffter Unterlagen (Anzeige, Sonderrevisionsbericht, Kontoverfügungen Schweizer Nummernkonten, Selbstanzeige eines Betroffenen) die Angaben des Herrn Mollath klare Ermittlungsansätze boten.« Aufgrund der entsprechenden Vorermittlungen habe man nun Steuerstrafverfahren gegen Beteiligte eingeleitet.
Mit anderen Worten: Mollaths Angaben, seine Strafanzeigen und der Revisionsbericht der Hypovereinsbank von 2003 reichten nach Einschätzung der Finanzbehörde aus, um Ermittlungen einzuleiten. Sie bergen also genug Anhaltspunkte in sich, um etwaigen Schwarzgeldtransfers und anderen illegalen Geldgeschäften nachzuspüren. Mit dieser Argumentation Jüptners gegenüber dem Finanzministerium ist gleichzeitig auch die monatelange Verteidigungslinie der Nürnberger Justiz und des dortigen Generalstaatsanwalts Hasso Nerlich löchrig geworden. Denn der behauptete steif und fest, Mollaths Anzeigen und der Sonder-Revisionsbericht hätten keine konkreten Anhaltspunkte für Ermittlungen geliefert. Oder meinte Nerlich ausschließlich steuerstrafrechtliche Ermittlungen und klammerte Ermittlungen von Steuerfahndern en passant elegant aus?
Mollaths Anwalt Strate erhebt dementsprechend Vorwürfe gegen den Nürnberger Generalstaatsanwalt: »Das hätte man schon im Frühjahr 2004, und nicht erst im Frühjahr 2012, haben können, wenn man damals bereits pflichtgemäß gehandelt und bei der Hypovereinsbank nachgefragt hätte, ob es dort eine Überprüfung der Angaben Mollaths durch die interne Revision gegeben habe.« Zudem befanden sich in dem von Mollath dem Amtsgericht Nürnberg am 25. September 2003 übergebenen Schnellhefter »auch zwei Schreiben des Konzernbereichs Revision der Hypovereinsbank, welche zu direkter Nachfrage bei den beiden dort aufgeführten Herren hätten führen können«.
Sind es nur Dilettantismus und das Versagen von hochrangigen Juristen, die schuld sind an der Affäre Mollath? Oder steckt doch mehr dahinter?
Beweise für eine wie auch immer geartete Verabredung oder gar Verschwörung gibt es nicht. Es gibt aber sehr wohl viele Hinweise darauf, dass Gustl Mollath ein Stachel im Fleisch der Justiz, der Behörden und der Bank war. Einer, der schlichtweg störte. Schließlich kuschelt man auch gern miteinander, wovon noch die Rede sein wird. Ein Hinweis sei erlaubt: Dr. Roland Jüptner war während seiner Zeit als Finanzpräsident der Oberfinanzdirektion München mehrere Jahre lang stellvertretender Treuhänder für das Hypothekenbankgeschäft der Hypovereinsbank. Das geht aus Geschäftsberichten der Bank hervor. Mithin gab es also in der
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