Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)
Rechtsstaat.« Mollaths Anzeigen waren aber nicht anonym, sie enthielten seinen Namen und seine Adresse. Sie enthielten überdies Dutzende Namen, beschrieben Situationen aus eigenem Erleben heraus, enthielten Kopien von Überweisungsaufträgen, die ganz offenkundig Tarnnamen für Nummernkonten enthielten, wie sie Steuerbetrüger und andere dunkle Geldgeschäftemacher aus der ganzen Welt nutzen: »Pythagoras«, »Laim 1112«, »Klavier 2285«. Ausgerechnet die bayerische Justiz erkennt ein solches System nicht?
Sie kennt es natürlich doch. Als die Regensburger Staatsanwaltschaft nach langem, auch politischem Gezerre im März 2013 endlich ihr Wiederaufnahmegesuch im Fall Mollath stellt, ist eine Passage in ihrem mehr als 150 Seiten starken Antrag diesbezüglich besonders aufschlussreich: »Es ist allgemein bekannt, dass gerade in den neunziger Jahren von deutschen Anlegern immense Bargeldbeträge in die Schweiz verbracht worden sind, um sie der Besteuerung zu entziehen. Dass es sich dabei auch um Schwarzgeld gehandelt hat, also Geld, das bereits in der Bundesrepublik insbesondere der Einkommens-, Umsatz-, Gewerbe-, Erbschafts- oder Schenkungssteuer entzogen worden war, konnten die Strafverfolgungsbehörden nahezu täglich in ihrer Ermittlungsarbeit feststellen.«
Beate Merk scheint sich das nicht vorstellen zu können oder zu wollen, zumindest nicht im Fall Mollath. Bezogen auf dessen von der Staatsanwaltschaft nicht verfolgte Strafanzeigen sagt die bayerische Justizministerin am 8. März: »Es werden in keinem einzigen Fall konkrete tatsächliche Anhaltspunkte vorgetragen, dass eine bestimmte Person ein bestimmtes Vermögen in Deutschland nicht versteuert hat und dieses nicht versteuerte Vermögen mit Hilfe von Frau Mollath in die Schweiz transferiert und auch die dort erlangten Zinsen nicht versteuert wurden.« Auch hier legt sich die Ministerin also fest.
Tatsächlich schrieb Gustl Mollath in seiner Strafanzeige vom 20. Dezember 2003: »Meine Frau beerbte dann auch noch einen Kunden [es folgen dessen Vor- und Nachname, sein Geburts- und sein Sterbedatum sowie die genaue Adresse bis zu seinem Tod; d. Verf.]. Außer der offiziellen Erbschaft erbte sie noch dessen Schwarzgeldvermögen in der Schweiz bei der AKB Bank Zürich Kontoname ›Monster‹.« Er nennt auch weitere Namen und wirft diesen Personen vor, Schwarzgeld bei konkret benannten Schweizer Banken liegen zu haben.
Das sind genügend Anhaltspunkte, einen Vorgang nachzuvollziehen – wenn man nur will. In seiner Strafanzeige schildert Mollath haarklein, wie seine Frau ein angeblich zuvor veruntreutes UBS-Vermögen zurückholte. Und anschließend angeblich »erst bei der AKB Zürich, dann bei der Bank von Ernst in Zürich, jetzt bei der Bank Leu« verwaltete. Wieder nennt er den Namen und die Funktion eines Schweizer Bankers, an den auch die Überweisungsaufträge von den Nummernkonten »Pythagoras«, »Laim 1112« usw. gingen. All das sind für Justizministerin Merk ebenso wenig »konkrete Anhaltspunkte« wie Jahre zuvor für die Staatsanwaltschaft. Stattdessen lästert sie herablassend im März 2012 im Landtag, dieser Mollath habe eben »eine sehr eigene Sicht der Dinge«.
Dabei hätte die Ministerin längst hellhörig sein müssen. Am 13. Dezember 2011 sendete Report Mainz einen ersten Beitrag zur Causa, in dem die Hypovereinsbank einräumt, dass sich Mollaths Exfrau und einige ihrer Kollegen »in Zusammenhang mit Schweizer Bankgeschäften weisungswidrig verhalten haben«. Was genau sich hinter dieser Formulierung verbirgt, bleibt für die Öffentlichkeit noch lange Zeit völlig offen. Jedoch tritt daraufhin die Nürnberger Staatsanwaltschaft an die Bank heran und fordert Aufklärung. Am 29. Dezember 2011 erhält sie von der Bank jenen internen Sonder-Revisionsbericht, dessen genauer Inhalt erst im November 2012, neun Monate nach Merks Auftritt im Landtag, an die Öffentlichkeit gelangt. Hat Merk ihn am 8. März 2012 bereits gekannt? Angeblich nicht. In einer Antwort auf eine Landtagsanfrage der Grünen erklärt Merk Monate später, der Sonder-Revisionsbericht sei dem Justizministerium erst am 9. November 2012 zugegangen – am Tag des legendären Merk’schen Report -Interviews.
Das klingt unglaubwürdig. Da geht Ende Dezember 2011 ein höchst brisantes Dokument bei der Nürnberger Staatsanwaltschaft ein. Es betrifft einen Fall, der vorher und nachher den Landtag beschäftigt und zu dem sich die Ministerin nicht nur im Parlament mehrfach äußern
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