Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)
muss. Das Dokument ist geeignet, den Fall in einem anderen Licht erscheinen zu lassen. Doch das zuständige Justizministerium samt der Ministerin erhalten diesen Bericht angeblich erst elf Monate später, im November 2012. Das ist aber ein langer Dienstweg. Oder kannte sie ihn doch früher schon?
Darauf deutet zumindest eine andere Aussage hin. Vor den Abgeordneten sagt Merk am 8. März 2012 ausweislich des Sitzungsprotokolls: »Der interne Revisionsbericht hat eine Reihe von bankinternen und arbeitsrechtlichen Verstößen von [Frau Mollath] und weiteren Mitarbeitern festgestellt, aus denen die HVB arbeitsrechtliche Konsequenzen gezogen hat.« Die Bank habe, so Merk weiter, »auch das strafrechtlich relevante Verhalten ihrer Mitarbeiter überprüft.« Herausgekommen sei, dass es »von Anfang bis Mitte der neunziger Jahre bei der Hypobank die Möglichkeit von Geldanlagen in der Schweiz gegeben« habe. »Diese Praxis«, so die Ministerin weiter, sei »jedoch Mitte der 1990er Jahre eingestellt worden.« Der Sonder-Revisionsbericht bestätige nicht den Verdacht, »dass diese Praxis nach 1998 weitergeführt wurde oder dass Wertpapiere oder Bargeld von Mitarbeitern der Bank persönlich in die Schweiz gebracht worden sind«. Kurzum: Der Bericht habe »nur Hinweise auf möglicherweise strafrechtlich relevante Verstöße einzelner HVB-Mitarbeiter« ergeben, die freilich nichts mit Mollaths Vorwürfen oder gar den Geschäften seiner Ehefrau zu tun gehabt hätten.
Was Beate Merk den Abgeordneten vorenthält, ist das »Zusammenfassende Ergebnis« des Sonder-Revisionsberichtes: »Die Anschuldigungen des Herrn Mollath klingen in Teilbereichen zwar etwas diffus, unzweifelhaft besitzt er jedoch Insiderwissen. Alle nachprüfbaren Behauptungen haben sich als zutreffend herausgestellt.«
Die Ministerin berichtet auch nicht von der im Revisionsbericht fixierten Angst der Bank, dass all das auffliegen könnte: »Es ist nicht auszuschließen, dass Herr Mollath die Vorwürfe des Transfers von Geldern von Deutschland in die Schweiz in die Öffentlichkeit bringt.« Und einige Zeilen später heißt es, es bestünde durchaus die konkrete »Gefahr, dass er eventuell versucht, sein Wissen zu verkaufen. Hinzu kommt, dass Herr Mollath möglicherweise noch über vertrauliche Belege/Unterlagen aus dem Besitz seiner Frau verfügt.«
Von alledem sagt Beate Merk im Landtag kein Wort.
Ganz abgesehen davon stimmt auch der Eindruck nicht, den die Ministerin mit der Bemerkung erweckt, dass die Schweiz-Geschäfte bereits 1998 eingestellt worden seien. Auf Seite sieben des Sonder-Revisionsberichtes sind drei mutmaßlich illegale Geldgeschäfte für eine »allgemein bekannte Persönlichkeit« beschrieben, bei denen es sich »um Schwarzgeld handelte«, wie die Prüfer herausfanden. Dabei wurden Schweizer Franken in D-Mark bzw. Euro getauscht. »Um die Aufzeichnung gemäß Geldwäschegesetz zu umgehen«, habe ein Kollege von Frau Mollath bei der Hypovereinsbank »ein Geschäft künstlich aufgesplittet«. Mit anderen Worten: Der Betrag wurde verbotenerweise so gestückelt, dass er nach den Vorgaben des Geldwäschegesetzes nicht mehr meldepflichtig gegenüber den Behörden war. Ein »bewusster und gravierender Verstoß gegen das Geldwäschegesetz«, schreiben die Revisoren.
Von wegen also, 1998 war alles vorbei. Die beschriebenen Geschäfte spielen sich lange nach 1998 ab: Der Euro wurde zum 1. Januar 2002 überhaupt erst eingeführt. Von wegen, es habe nur oberflächliche Hinweise auf strafrechtlich relevante Vorgänge gegeben. Geldwäsche ist ein Kapitaldelikt. Wer verurteilt wird, dem drohen bis zu fünf Jahre, in schweren Fällen sogar bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe. Auf den Seiten sieben bis neun des Revisionsberichtes vollziehen die HVB-Revisoren diesen und andere fragwürdige Vorgänge exakt nach. Genau genug, dass ein Staatsanwalt allein bei der Lektüre des Revisionsberichtes hellhörig hätte werden müssen.
Die Abgeordneten wissen zum fraglichen Zeitpunkt nicht, was im Sonder-Revisionsbericht der HVB steht. Anders als bei der ersten Beratung des Falles ergeben sich nun jedoch neue Fragen. Skeptisch sind nach ihrem Auftritt im Rechtsausschuss einzig die Grünen und die Freien Wähler. Ansonsten verlässt die Ministerin den Sitzungssaal mit der Rückendeckung der Regierungsparteien CSU und FDP, aber auch der SPD. »Es gibt nicht den Hauch eines Anfangsverdachts, dass die Psychiatrie hier missbraucht wurde«, sagt Franz Schindler, SPD. »Wir
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