Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)
Landtages erzählt, wirft ein bezeichnendes Licht auf ihren Umgang und den anderer Politiker mit dem Fall. Gleich zu Beginn bekräftigt sie wortreich eine Selbstverständlichkeit: die Unabhängigkeit von Richtern und Gerichten. Das betreffe vor allem die gerichtliche Beweiserhebung und Beweiswürdigung. Sie referiert aus den Gerichtsakten, inklusive des fragwürdigen und fehlerhaften Landgerichtsurteils: Mollath habe seine Frau schwer misshandelt, habe Autoreifen von Widersachern zerstochen und sei deswegen in die Psychiatrie eingewiesen worden. Der Bundesgerichtshof habe das Urteil bestätigt und einen Revisionsantrag verworfen. Auf Fragen, welche Beweise das Gericht erhoben oder nicht erhoben hat, geht Merk nicht ein. »Als Justizministerin setze ich mich nicht an die Stelle des unabhängigen Gerichts.«
Das ist auch gut so. Niemand kann sich wünschen, dass eine Politikerin Urteile übergeht und in rechtsstaatliche Prozesse eingreift. Dass am Ende gar ein Politiker entscheidet, wer in der Psychiatrie sitzen muss und wer nicht. Aber darum geht es im Fall Mollath auch gar nicht. Was man Beate Merk persönlich vorwerfen muss und was ihr Handeln fragwürdig macht, ist die Art und Weise, wie sie über Jahre hinweg blindlings und mit beleidigter Attitüde alles für richtig und korrekt erklärt, was Gerichte, Staatsanwälte und Gutachter im Fall Mollath getrieben haben. Und zwar starrsinnig und hauptsächlich mit dem Argument, dass alles rechtskräftig entschieden und damit richtig sein muss. Dass die CSU-Politikerin über Monate hinweg keinerlei Bereitschaft zeigt, auch nur kritisch zu hinterfragen, geschweige denn selbst zu überprüfen. Dass sie neue Fakten und Erkenntnisse wie ein störrisches Kind nicht zur Kenntnis nehmen will. Dass sie den Eindruck erweckt, einfach nur aus Prinzip zu handeln, politisch taub und blind zu sein. Dass erst der öffentliche Druck übermächtig werden und Ministerpräsident Seehofer eingreifen muss, ehe sie sich bewegt. Man könnte auch sagen: dass Beate Merk erst dann ins Laufen kommt, als es um ihren eigenen Ministerposten geht.
Denn nicht nur Seehofer hat die Geduld mit ihr verloren und ist durch die vielen öffentlich gewordenen Ungereimtheiten und Fragen in dieser Affäre beunruhigt. Auch in der CSU bröckelt der Rückhalt für die Ministerin. Merk hat nie auch nur den Anschein erweckt, dass es ihr um die Klärung von Vorwürfen geht, sondern immer nur um die kompromisslose Verteidigung der bayerischen Justiz. So versagt sie nicht nur monatelang als Krisenmanagerin. Sie trägt dazu bei, dass aus einer Verschwörungsgeschichte Mollath der Fall Mollath wird, und aus dem Fall Mollath die Affäre Mollath, die die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in den Rechtsstaat untergräbt. Es ist auch die Affäre der Beate Merk. Nicht nur im Interview mit Report Mainz, sondern auch politisch und in der Öffentlichkeit hält sie verbissen und starr daran fest, dass nicht falsch sein kann, was nicht falsch sein darf. Dabei kennt sie längst die neuen Fakten. Das macht sie angreifbar, das rechtfertigt tatsächlich Rücktrittsforderungen gegen sie. Zumal die Ministerin sich widersprüchlich verhält.
Einerseits argumentiert sie, sich »als Politikerin nicht an die Stelle des unabhängigen Gerichts« oder der Staatsanwaltschaften stellen zu dürfen. Wer das sagt, muss dann jedoch auch tatsächlich neutral sein. Er darf sich im Umkehrschluss nicht verhalten und äußern, wie sie das getan hat. Als sie beispielsweise die Verteidigungsschrift in eigener Sache von Gustl Mollath arrogant als »abstruses Sammelsurium« abtut. Nein, Beate Merk ist im Fall Mollath weder neutral noch die Aufklärerin, als die man sich eine Justizministerin in einem Fall wie diesem wünscht, wo ständig neue, eklatante Widersprüche, Ungereimtheiten und Fakten auftauchen, die – rechtskräftige Urteile hin oder her – nach Aufklärung schreien. Denn das bedeutet nicht, dass man deshalb gleich die Unabhängigkeit der Justiz in Frage stellt. Diesen Unterschied wird ihr Ministerpräsident Horst Seehofer noch öffentlich erklären.
Beate Merk stellt jedoch keine Fragen – sie stellt fest. Die Behauptung, sagt sie in besagter Rechtsausschusssitzung am 8. März 2012 im bayerischen Landtag, Gustl Mollath sei mundtot gemacht worden, um Steuerhinterzieher und die Hypovereinsbank zu schützen, sei absurd. Sie sagt: »Wenn anonyme Anzeigen ohne jegliche fundierte Angaben für Fahndungsmaßnahmen genügen sollen, dann gute Nacht,
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