Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)
politischen Druck hin wegen ›Flüchtigkeitsfehlern‹ – so heißt es beschönigend – neu verhandelt und komme es zu einem Freispruch, dann sei das eine Katastrophe für das bayerische Volk, denn die Justiz werde gezwungen, ›einen gefährlichen Mann auf die Straße zu entlassen‹«.
Das Dementi folgt prompt. In einer schriftlichen Stellungnahme weist Nerlich diese Darstellung scharf zurück. Richtig sei, dass er einer Zeit -Redakteurin gesagt habe, die Urteilsbegründung im Prozess gegen Mollath enthalte Unrichtigkeiten. Er habe auch darauf hingewiesen, dass bei der Vorbereitung eines Wiederaufnahmeantrags zu prüfen sei, inwieweit sich diese Unrichtigkeiten auf das Ergebnis einer Entscheidung des Landgerichts auswirken könnten. Weder er selbst noch einer seiner Mitarbeiter habe sich aber in »irgendeiner Weise dahin geäußert, dass auf politischen Druck hin die Justiz gezwungen werde, einen gefährlichen Mann zu entlassen«, sagt Nerlich. Man kann das glauben oder nicht – eine Richtigstellung Nerlichs in der Zeit hat es bislang nicht gegeben.
Kapitel 5
Das Versagen der bayerischen Politik
Ein filmisches Dokument der Verbohrtheit, der Widersprüchlichkeit und auch der Hilflosigkeit. Zu Beginn sind die Gesichtszüge von Beate Merk noch einigermaßen entspannt. In den folgenden 15 Minuten und 39 Sekunden werden sie sich immer mehr verhärten, und der Zuschauer sieht, die bayerische Justizministerin hat extreme Mühe, ruhig und sachlich zu bleiben. Diese verkniffene Beate Merk, so scheint es, möchte am liebsten lospoltern, aufspringen, brüllen und die hartnäckige Journalistin, die ihr gegenübersitzt, hinauswerfen. Schließlich beendet die Ministerin abrupt das Interview. »Eine letzte, allgemeine Frage noch«, sagt Monika Anthes, Reporterin des ARD-Politmagazins Report Mainz. »Nein«, fällt ihr Merk schneidend und knapp ins Wort. »Ich bin jetzt mit meinen Dingen am Ende.« Die Ministerin steht auf und reißt dabei fast das Mikrofonkabel heraus, das an ihrer Kleidung befestigt ist. Ein kurzer, kalter Händedruck mit Anthes – und weg ist sie. Professionelles Krisenmanagement sieht anders aus.
Die Redaktion von Report Mainz hat die Langfassung dieses für die Affäre Mollath sehr aussagekräftigen Interviews auf ihre Internetseite gestellt. In der Sendung selbst wurde nur ein kleiner Ausschnitt gesendet, denn schließlich hat die Ministerin inhaltlich nicht viel gesagt. Gebetsmühlenhaft wiederholte eine von Anthes’ bohrenden Fragen zunehmend angefressene Beate Merk ihr Mantra im Fall Mollath: »Herr Mollath ist gefährlich.« »Er sitzt in der Psychiatrie, weil er gefährlich ist.« »Seine Gefährlichkeit ist der Grund dafür, dass er untergebracht ist.«
Mollaths Anzeigen, Briefe und andere Hinweise in Sachen Schwarzgeld und anderer illegaler Geldgeschäfte hätten mit dieser Unterbringung selbstverständlich nichts, aber auch rein gar nichts zu tun. Wann immer Anthes beharrlich nachhakt, Merk mit ihren eigenen, früheren Aussagen zum Fall Mollath im Landtag konfrontiert und sie auf Widersprüche in ihrer Argumentation hinweist, zieht sich die Politikerin auf ihr Mantra zurück. Übersetzt lautet die zentrale Botschaft der Beate Merk: Die bayerische Justiz hat alles richtig gemacht – und ich als Ministerin sowieso.
Dieses Video, sagt ein hochrangiger Vertreter der weiß-blauen Gerichtsbarkeit, »dürfte so ziemlich jeder Vertreter der bayerischen Justiz schon mal auf seinem Computer gehabt haben«. Er selbst, räumt der Jurist ein, habe es sich bereits mehrfach angeschaut. Merk genießt in den Justizbehörden Bayerns keinen ausschließlich positiven Ruf. Vornehm gesprochen. Nicht was sie in die Kamera sagt, sondern wie sie sich unsouverän von einer Wiederholung ihrer »Mollath ist gefährlich«-Aussagen zur nächsten hangelt, verstärkt den Eindruck, dass in der Affäre auch politisch vieles nicht mit rechten Dingen zugegangen ist.
Beate Merk ist seit 14. Oktober 2003 bayerische Justizministerin. Zuvor war die 1957 im niedersächsischen Nordhorn als ältestes von vier Kindern geborene Merk acht Jahre lang Oberbürgermeisterin der Stadt Neu-Ulm. Als stellvertretende Vorsitzende der CSU gehört sie zum innersten Führungszirkel der Partei. Die Affäre Mollath kratzt im Winter 2012/2013 gewaltig am Ruf der promovierten Juristin. Sogar bei der »Fastnacht in Franken« verfolgt sie das Thema.
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