Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)

Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)

Titel: Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Ritzer , Olaf Przybilla
Vom Netzwerk:
begründet«. Warum schafft jemand große Mengen Bargeld in ein anderes Land, fragt sich nicht nur Gerhard Strate, wenn nicht zu dem Zweck, »Spuren zu verwischen und die Erträge der dort vorgenommenen Kapitalanlage weiterhin dem deutschen Fiskus vorzuenthalten«?

    Was sind die Konsequenzen aus all diesen Erkenntnissen der internen Revisoren? Wie verfährt die HVB mit dem brisanten Dokument?
    Laut Verteiler geht der vertrauliche Bericht an ein Dutzend Adressaten, zwei davon aus der Bethmann-Bank. Denn bereits vor Abschluss der Prüfung hat sich Wolfram K., der Betreuer der prominenten Schwarzgeldkundin, zur Bethmann-Bank abgesetzt, womit er nur seinem fristlosen Rauswurf zuvorgekommen sei, wie die Revisoren vermerken. Zehn Adressaten des Sonder-Revisionsberichtes sind bei der HVB angestellt, zwei davon sitzen ganz oben in der Spitze des Geldkonzerns: die Vorstände Wolfgang Sprißler und Stefan Jentzsch.
    Jentzsch, 1960 in Ludwigshafen geboren, arbeitete unter anderem als Investment-Banker bei Goldman Sachs, ehe er 2001 in den Vorstand der Hypovereinsbank berufen wurde. 2005 wechselte er zur Dresdner Bank und schließlich 2009 als Partner zum Finanzinvestor Perella Weinberg nach London. Anders als sein damaliger Vorstandskollege Sprißler weicht er beim Fall Mollath im Nachhinein nicht aus. Ja, er könne sich zumindest noch vage an den Vorgang erinnern, lässt Jentzsch Anfang 2013 auf unsere Anfrage hin einen Sprecher mitteilen. Was auch belegt, dass der angeblich so wenig konkrete Sonder-Revisionsbericht Anfang 2003 tatsächlich in der Spitze der HVB ankam, mithin also ganz oben ein Thema war.
    Stefan Jentzsch war zur fraglichen Zeit im HVB-Vorstand sechs Monate lang kommissarisch für die Sparte Retail zuständig. Daher, so sein Sprecher, »legte die Innere Revision ihren Bericht auch ihm vor. Herr Jentzsch erinnert sich zwar noch an den Bericht, nach rund zehn Jahren aber verständlicherweise nicht mehr an alle Details.« Er habe, so der Sprecher weiter, »die vom damaligen Prüfungsleiter vorgeschlagenen disziplinarischen Maßnahmen aber mitgetragen: Seiner Erinnerung nach wurden mehrere der gravierend belasteten Mitarbeiter außerordentlich gekündigt, andere hingegen abgemahnt.«
    Man beachte: Ein Vorstand empfand die Erkenntnisse des Sonder-Revisionsberichtes als »gravierend belastend« für einige HVB-Mitarbeiter. Und was sagt Wolfgang Sprißler dazu?
    Nichts. Er taucht beim Thema Mollath völlig ab. Bis heute ist Sprißler bei der Hypovereinsbank in Amt und Würden. Nach seinem Ausscheiden als Vorstandsvorsitzender fungiert er seit 2009 als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender. Ein mächtiger Mann im Hintergrund also. Mächtig war Sprißler auch 2003, als der Revisionsbericht über die Mollath-Vorwürfe vorlag. Trotz mehrmaliger Anfragen hat sich Sprißler bislang zum Fall Mollath nicht geäußert. Mehrere Anfragen unsererseits an ihn direkt blieben von ihm unbeantwortet. So bleibt letztlich offen, ob er die Entscheidung traf, den brisanten Revisionsbericht in der Registratur verschwinden zu lassen. Denn genau das geschah. Die HVB trennte sich ebenso diskret wie schnell von Mollaths Frau und allen anderen im Bericht beschuldigten Mitarbeitern. Gustl Mollath wurde über die Ergebnisse der von ihm angestoßenen Sonderprüfung nicht informiert. Heute argumentiert die Bank lapidar, er habe doch automatisch davon Wind bekommen, schließlich habe damals auch seine Frau ihren Arbeitsplatz verloren. Das müsse er doch mitbekommen haben.
    Was aber noch wichtiger ist, weil es weitreichende Konsequenzen hatte: Die Bank informiert auch die Staatsanwaltschaft nicht über den Revisionsbericht. Formal muss sie das auch nicht. Paragraph 138 des Strafgesetzbuches nennt für den juristischen Laien erstaunlich wenige, besonders schwere Delikte, bei denen eine Pflicht zur Strafanzeige besteht. Die Vorbereitung eines Angriffskrieges zum Beispiel, Mord oder das Fälschen von Geld. Ein Unternehmen, das mögliche Straftaten von Mitarbeitern feststellt, muss nicht zwangsläufig die Staatsanwaltschaft einschalten.
    Etwas ganz anderes ist jedoch die Moral oder, wenn man so will: menschliches Mitgefühl. Kann es sein, dass eine Großbank jahrelang tatenlos zusieht, wie ein Mensch in die Psychiatrie gesperrt wird, obwohl sie längst weiß, dass vieles von dem, was er sagt, keineswegs krankhaftes Zeug ist? Dass die Schwarzgeld- und anderen illegalen Geldgeschäfte, von denen er redet und schreibt, keineswegs Hirngespinste sind,

Weitere Kostenlose Bücher