Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)
klandestine Verbringung deutscher Vermögen in die Schweiz und Bearbeitung von Schweizer Konten deutscher Kunden durch eigene Mitarbeiter oder durch anreisende Mitarbeiter der Schweizer Tochterbank vollzogen hatte – und dass auch für die Bank der begründete Verdacht bestand, daß nach bankseitiger Abstellung dieser Praxis Frau Mollath und andere Mitarbeiter diesen Kundenservice, unter Abziehung von Nürnberger Kundenvermögen in Höhe von 18,5 Millionen von der Schweizer Tochterbank, gemeinsam mit der Schweizer Bank Leu, auf eigene Kappe fortgesetzt hatten.« Zu diesem unmissverständlichen Urteil kommt Gabriele Wolff in ihrem Internet-Blog, die ehemalige und langjährige Staatsanwältin. Man darf also voraussetzen, dass Gabriele Wolff in der Lage ist, den Sonder-Revisionsbericht auf Ansätze für etwaige strafbare Handlungen hin zu analysieren.
Die Hypovereinsbank lässt sich von solchen Tönen nicht irritieren. Sie findet ihr Vorgehen nach wie vor völlig in Ordnung, wie aus einer Antwort eines HVB-Sprechers im Februar 2013 auf unsere Fragen angeht: »Der Umgang mit dem Revisionsbericht im Fall Mollath entsprach und entspricht der üblichen Verfahrensweise in unserem Haus, die sich von der in anderen Häusern nicht unterscheiden dürfte. Die Erkenntnisse aus Revisionsprüfungen werden mit den fachlich und organisatorisch zuständigen Fachabteilungen besprochen und die zu treffenden Maßnahmen sodann diskutiert und beschlossen. Die Erkenntnisse aus jeder Revisionsprüfung und die beschlossenen Maßnahmen werden im Revisionsbericht zusammengefasst, der als internes Dokument und mit Blick auf die geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen vertraulich behandelt wird. Der Revisionsbericht wird schließlich den Leitern der betroffenen Abteilungen bzw. Filialen sowie den zuständigen Vorständen zur Kenntnis und eben gerade nicht zur Entscheidung gegeben. Nach Abschluss der Maßnahmen wird der Revisionsbericht zu den Akten genommen.«
So ist die Hypovereinsbank bemüht, ungeachtet ihrer trüben Rolle in der Affäre Mollath möglichst schnell zum Tagesgeschäft überzugehen. Aufsichtsratsvize Sprißler schweigt, andere mit dem Sonder-Revisionsbericht Befasste dürfen bzw. wollen nicht reden oder sind längst in Pension. Der amtierende Vorstandschef Theodor Weimer, zum Zeitpunkt des Prüfberichtes noch nicht in Verantwortung, konnte sich bislang nur zu einem Satz durchringen: »Ich würde uns allen empfehlen, dass wir uns auf den juristischen und medizinischen Sachverstand der zahlreich eingeschalteten Behörden und Sachverständigen verlassen sollten«, sagte er lapidar Ende 2012 auf einer Telefonkonferenz mit Journalisten.
Was definitiv bleibt, ist die Erkenntnis, dass Gustl Mollaths Angaben es durchaus wert gewesen wären, staatsanwaltschaftlich näher untersucht zu werden. Und dass der Revisionsbericht zweifellos genug Beweise und Anhaltspunkte geboten hätte, um zumindest zu ermitteln. Das scheint übrigens die Steuerfahndung ähnlich zu sehen. Denn sie begann 2012 damit, den Schweiz-Geschäften einiger derer, die im Revisionsbericht vorkommen, auch nachzugehen.
So schreibt die Steuerfahndungsstelle des Finanzamts Nürnberg-Süd am 2. Juli 2012 Rainer L. (Name geändert) beziehungsweise dessen Rechtsanwalt. »Nach den Erkenntnissen der Steuerfahndungsstelle« habe Rainer L. genauso wie »weitere Personen« Kapitalanlagen in der Schweiz. Nun fordert die Finanzbehörde L. auf, Auskunft über all seine Anlagen bei insgesamt sieben namentlich genannten Banken in der Schweiz zu machen.
Der Anwalt von Rainer L. handelte schnell. Er forderte Gustl Mollath zu einer Art schriftlicher Ehrenerklärung für seinen Mandanten auf. Denn er vermutet dahinter eine Anzeige Mollaths bei den Steuerbehörden. Außerdem soll der Mann, der seit sieben Jahren finanziell völlig abgebrannt in der Psychiatrie sitzt, »als Zeichen von Einsicht und Reue«, das Anwaltshonorar von fast 800 Euro übernehmen. Grotesk.
Kapitel 7
Der Psychiatrie hilflos ausgeliefert
Sieben Psychiater sind es, die sich zwischen 2003 und April 2011 an Gustl Mollath abarbeiten und deren Expertisen in diesem bizarren Fall eine Rolle spielen. Wir wollen sie in diesem Kapitel chronologisch dokumentieren. Es sind solche Sachverständige dabei, die Mollath nie gesehen haben und dennoch eine feste Meinung über dessen Geisteszustand abgeben. Andere haben ihn zwar gesehen, aber nie mit ihm ge-sprochen. Zwischen den tatsächlichen Untersuchungen des Patienten vergehen
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