Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)
Verweis ist sinnvoll und richtig. Und zwar deshalb, weil Mollath mit dieser Angabe darauf verweist, dass er nicht etwa aus querulatorischen oder sonstigen Gründen nicht in Erlangen untersucht worden ist.
Wie wenig akkurat die Aufzeichnungen der Bayreuther Klinik sind, lässt sich anhand eines Details ermessen: Mollath soll dem aufnehmenden Arzt gesagt haben, dass er in der Anstalt sei, »weil sein Nachbar Kontakte zu Schwarzgeldkreisen« habe, zu welchen auch ein Gerichtsgutachter aus der Bezirksklinik Erlangen gehöre. So übernimmt es jedenfalls der aufnehmende Arzt in seine Dokumentation. Das ist aber Unsinn: Mollath hatte keine Nachbarn, die in Schwarzgeldgeschäfte verwickelt waren. Mollath schreibt dies vielmehr seiner Frau zu. Ein Nachbar spielt in seiner Geschichte aber durchaus eine Rolle. Der Mann ist Vermögensberater und hatte beruflich mit Mollaths Frau zu tun. Nur ist dieser nicht der Nachbar von Mollath, sondern der Nachbar des Erlanger Gutachters, der sich deshalb selbst für befangen erklärt hat. Später wird Mollath unterstellt, er bringe beliebige Personen mit Schwarzgeldvorwürfen in Verbindung. Die Wahrheit ist: Der aufnehmende Arzt hat schlicht nicht verstanden, um was es geht. Dieser Arzt hat damit unterstellt, Mollath habe einem »Nachbarn« von ihm Kontakte zu Schwarzgeldkreisen nachgesagt. Wer stochert hier im Dunkeln? Mollath? Oder die Ärzte der Bayreuther Klinik?
Schon am ersten Tag seines Aufenthalts legt Mollath dar, dass er sich seit Jahren nur von Bio-Lebensmitteln ernähre, weil er Allergien gegen konventionelle Lebensmittel habe. Ein Aussage, die so wirkt, als sei sie kaum von Relevanz. Und die sich trotzdem zu einem der Hauptargumente derjenigen entwickeln sollte, die Mollath eine Wahnerkrankung nachsagen. Aber dazu später.
Jetzt steht Mollath zunächst in der geschlossenen Psychiatrie in Bayreuth. Er hat sein Aufnahmegespräch hinter sich, in dem er aber kaum Aussagen zur Sache gemacht und stattdessen auf die Akten verwiesen hat. Ein »psychischer Befund« findet sich freilich trotzdem in den Akten, und Leipziger zitiert ihn in seinem Gutachten: Auffällig sei das »negativistische Weltbild« des neuen Patienten, in dem dieser »der Benachteiligte ist«. Das muss man sich mal vor Augen halten: Da hat einer von der Fesselung geschwollene Handgelenke. Da blühen ihm offenbar mehrere Wochen in einer psychiatrischen Klinik. Da muss dieser Mann den Eindruck bekommen haben, dass ihm grundsätzlich keiner – schon gar nicht die zuständigen Behörden – zuhören will, wenn er von dubiosen Geldgeschäften berichtet. Außerdem, dass dies ein Grund sein könnte für seine Malaise, die ihn in die geschlossene Anstalt geführt hat. Aber »auffällig« an Mollath in dieser Situation ist sein »negativistisches« Weltbild. Und auffällig ist, dass er sich als »der Benachteiligte« fühlt.
Weiter: »Es mutet an, dass es sich um paranoides Umdenken handelt, insbesondere die ›Schwarzgeldkreis‹-Verschwörung gegen ihn.« Vor dem Hintergrund des Revisionsberichtes der Hypovereinsbank wirkt das wie ein absurder Popanz. Nicht wie eine ärztliche Diagnose.
Offenbar spricht der aufnehmende Arzt Mollath auch darauf an, ob er Stimmen höre. Mollath antwortet darauf: Er höre »eine innere Stimme«, die ihm sage, er sei ein ordentlicher Kerl, er spüre ein Gewissen. Eine schlagfertige Antwort. Im Gutachten des Nervenarztes aber findet sich dazu das Wort: »scheinlogisch«.
Mollath argumentiert auch mit dem Grundgesetz, dort sei »die Gewissensfreiheit verankert«. Offenkundig aufgrund dessen, was ihm aktuell widerfahre, komme er momentan aber zur Einschätzung: Dies hier sei ein »Unrechtsstaat«. Im Gutachten werden gerade diese Antworten auf die nervenärztliche Frage nach den inneren Stimmen diagnostisch auseinandergelegt: »Die Ich-Grenzen wirken verschwommen, die Ausführungen sind ausufernd, scheinlogisch in Abwechslung mit vernünftigen Gedanken.«
Dass Mollath seine Sätze offenbar nicht mit Ingrimm loswird, sondern sich beherrscht und er möglicherweise zu erkennen gibt, dass er die Fragerichtung als reichlich absurd beurteilt, wird ihm in Bayreuth als auffällig ausgelegt. Es soll ein Topos seines Zwangsaufenthalts in der geschlossenen Abteilung in Bayreuth werden: Immer wieder wird ihm attestiert, er reagiere merkwürdig wohlgelaunt, humorig, amüsiert, ja gar sarkastisch auf das Klinikpersonal. Was einem anderes übrigbleibt in der Situation, in der sich Mollath jahrelang
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