Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)
Mollath im selben Schreiben an das Amtsgericht den Verdacht äußert, er solle möglicherweise »mit allen Mitteln mundtot« gemacht werden, da er Schwarzgeldverschiebungen in die Schweiz habe aufdecken wollen, scheint ein wichtiges Indiz für Leipzigers Begutachtung zu sein. Ebenso dass er, Mollath, wie er in einem anderen Schreiben ans Gericht formuliert, »andauernde Steuerhinterziehung und Insidergeschäfte« zu unterbinden versucht habe, dass jedoch alle seine Anzeigen »ignoriert« würden und er nun auf seinen Geisteszustand geprüft werden solle: Auch dieses Aufbegehren Mollaths hält Leipziger in seinem Gutachten offenbar für relevant.
Zur Sprache kommt im Gutachten auch, Mollath habe sich bei einem ersten Zwangsaufenthalt in einer psychiatrischen Klinik über die »Vollisolationserzwingungshaft« dort echauffiert. Was wohl nur wenig wundern dürfte, schon gleich, weil es exakt diese Klinik war, die Erlanger Bezirksklinik nämlich, aus der ja die ärztliche Stellungnahme stammt über einen Menschen, den die Ärztin nie gesehen hat. Immerhin: Die Erlanger Klinik lehnte eine weiter Begutachtung nach einer Woche ab. Wegen Befangenheit. Die Begutachtung übernahm deswegen die Klinik für Forensische Psychiatrie in Bayreuth, geleitet von Leipziger.
Dieser hält offenbar auch die »Festnahmeumstände« am 13. Februar 2005 für bemerkenswert. Wohlgemerkt: Das sind die Umstände, in denen Mollath wider seinen Willen in eine geschlossene Anstalt verbracht wurde – und zwar mehr als ein Jahr vor einem rechtskräftigen Urteil. Mollath habe »auf Klingeln die Haustüre des von ihm bewohnten Anwesens nicht geöffnet«. Daraufhin sei die Türe geöffnet worden. Im Haus seien »Anhaltspunkte festgestellt worden«, dass Mollath sich in dem Anwesen befinde. Durch die Beamten sei die versperrte Tür zum Dachboden des Hauses aufgehebelt worden. Mollath sei dann »auf dem Dachboden auf einem Zwischenboden« aufgefunden worden, wo er sich vor der Polizei versteckt hätte. Ist es so überraschend, dass einer, der schon einmal gegen seinen Willen für eine Woche in einer Psychiatrie gefangen gehalten wurde, nun verängstigt ist, wenn ihm das ohne rechtskräftiges Urteil noch einmal blüht?
Bemerkenswert scheint da eine Lücke in Leipzigers Gutachten. Festgestellt wird: dass Mollath auf dem Dachboden sich habe festnehmen lassen, und zwar »durch die Beamten«. Es steht nicht da: gewaltlos. Das wird bei Mollath in den Akten eigentlich nie betont, obwohl es doch durchaus erwähnenswert wäre. Denn immerhin soll hier ein vermeintlicher gemeingefährlicher Gewalttäter gegen seinen Willen abgeführt und in eine geschlossene Anstalt gesteckt werden.
Mollaths Zwangsaufenthalt in Bayreuth – und was der Gutachter Leipziger dazu sagt
Vom 14. Februar bis zum 21. März 2005 war Gustl Mollath bereits gegen seinen Willen im Bezirkskrankenhaus Bayreuth untergebracht. Mollath berichtet davon, dass er über Nacht zunächst in eine Zelle bei der Polizei gesperrt worden, dass ihm kalt gewesen und ihm der Kontakt zu Verwandten verweigert worden sei. Hierauf, auch das findet Erwähnung, habe »der Angeklagte eine langatmige Auslegung des Grundgesetzes gegeben, gegen das die Polizei verstoßen hätte«, notiert Leipziger.
Mollath, der das Grundgesetz zitiert – in seinem Gutachten wird Leipziger so eine Konstellation noch mehrmals beschreiben. Was die Klinikärzte davon halten, kann man bereits an der Formulierung »langatmig« erkennen. Aber ist es tatsächlich psychisch auffällig, dass da einer wie Mollath in seiner Situation mit dem Grundgesetz argumentiert?
Wurden Mollath bei seiner Festnahme im Haus am 13. Februar »aus Eigensicherungsgründen« Handschellen angelegt, so kommt er ins Bezirkskrankenhaus Bayreuth einen Tag später ebenfalls gefesselt. Aus der Dokumentation entnimmt Leipziger, es seien an Mollaths Handgelenken »Schwellungen und Hautrötungen« festzustellen gewesen. Da scheint einer ziemlich lange oder eng gefesselt gewesen zu sein.
Mollaths Reaktion darauf scheint nun alles andere als auffahrend, irrational oder wahnhaft zu sein: Er macht bei der Ankunft im BKH Bayreuth darauf aufmerksam, dass er »jetzt nicht die Kraft« habe, das »komplexe Geschehen zu erklären«. Er verweist auf die Gerichtsakten, wo sein Fall nachzulesen sei. Er macht darauf aufmerksam, dass der Chefarzt der Klinik für Forensische Psychiatrie in Erlangen – wo er vor Bayreuth eine Woche untergebracht war – befangen gewesen sei. Auch dieser
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