Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)

Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)

Titel: Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Ritzer , Olaf Przybilla
Vom Netzwerk:
das sei »sein Problem«. Ob es so war, ist schwer zu überprüfen. Laut Mollath hat ihm der Bayreuther Pfarrer Reinhard Stauch Geld für eine Zugfahrt geschenkt, zwanzig Euro. Kann das sein? Deutsche Krankenhäuser stellen »Patienten« nach deren Entlassung aus der Psychiatrie völlig mittellos an Bahnhöfen ab?
    Pfarrer Stauch kann sich an Mollath erinnern. Dass er ihm Geld gegeben hat, will er nicht bestätigen. Sagt aber, dass er so etwas grundsätzlich tue, wenn ihn einer danach fragt. Auch diese – eigentlich unglaubliche – Geschichte Mollaths dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach wahr sein.
    Warum hat sich Mollath von Leipziger nicht untersuchen lassen? Man erfährt über die Skepsis Mollaths dem Chefarzt gegenüber aus dessen Gutachten. Er, Mollath, habe wochenlang um Kontakt zu seinen Anwälten gebeten. Er habe mündlich und in neun Briefen seine drängendsten Probleme geschildert und Leipziger und dessen Mitarbeiter um Unterstützung gebeten. Hilfe aber habe er nicht bekommen. Er habe aufgrund dieses Verhaltens »keinerlei Vertrauen« zu Leipziger oder dessen Mitarbeitern entwickelt. In einem Brief an Leipziger, den Mollath am letzten Tag seines (vorläufigen) Aufenthalts in Bayreuth geschrieben hat, bittet er den Chefarzt, seine »Tätigkeiten zu überdenken«. Sich den Menschen gemäß, die ihm anvertraut seien, zu verändern. Mollath schreibt, er halte Leipziger nicht für geeignet, wahrheitsgemäße Gutachten zu erstellen – von »Therapie« oder Heilung der ihm Anvertrauten gar nicht zu reden. Was für ein taktisch unkluger Brief! Andererseits: Konnte Mollath wissen, dass er in dieser Anstalt, geleitet von Chefarzt Leipziger, noch viele Jahre seines Lebens zubringen würde?

Wie die Diagnose Leipzigers zustande kam
    Ein längeres Gespräch hat Leipziger mit Mollath, das Ersterer selbst als »informatorisch« bezeichnet. Es findet statt im Arztsprechzimmer, Mollath wird von Leipziger darüber in Kenntnis gesetzt, dass er von ihm begutachtet werden soll und dass es ihm freisteht, gegenüber dem Sachverständigen, also Leipziger, Angaben zu machen. Mollath beschwert sich in diesem Gespräch darüber, dass seine psychiatrische Untersuchung richterlich angeordnet worden ist, und über die Nichtbeachtung seiner Hygiene- und Ernährungswünsche. Kurioserweise notiert Leipziger aus diesem einen informatorischen Gespräch – wie gesagt: exploratorische, also gutachterlich untersuchende Gespräche lehnt Mollath ab – nahezu ausschließlich Positives: Mollath erweise sich als »orientiert, wach und bewusstseinsklar«. Er zeige »situationsadäquates Verhalten«, sei »psychomotorisch ruhig« und »freundlich«. Allerdings seien »sensible Themenbereiche« – wie sie »aus den Akten zu ersehen« seien – nicht berührt worden. Somit seien in diesem Gespräch »paranoide und Größenvorstellungen« Mollaths nicht zur Sprache gekommen.
    Das könnte man interessant nennen: Wenn Leipziger sich mit Mollath unterhält, geht es ihm offenbar wie vielen – zum Beispiel inzwischen vielen Journalisten. Mollath wirkt äußerlich freundlich, höflich, ruhig. Aber, so muss man das wohl verstehen: Würde man sich mit Mollath über das Thema Schwarzgeld unterhalten, wäre das, vermutet Leipziger zumindest, anders. Nur hat Leipziger das nie getan. Journalisten, die es inzwischen getan haben, nehmen es anders wahr: Mollath äußert sich auch zu diesem Thema gelassen und ruhig. Und der Wahn? Versteckt der sich womöglich ausschließlich zwischen den Aktendeckeln?
    Wie kommt Leipziger zu einer Diagnose in seinem Gutachten? Indem er, in Ermangelung eines Untersuchungsgesprächs, auf die Wichtigkeit der klinikinternen Dokumentation verweist. Dabei fällt allerdings auf, dass Situationen, die zuvor aus der Dokumentation dargestellt wurden, plötzlich wesentlich drastischer erscheinen: Mollath habe »immer wieder Tendenzen und Versuche« gezeigt, »Mitpatienten aufzustacheln« und »gegen vermeintliche Ungerechtigkeiten vorzugehen«. Auf was sich das bezieht, schreibt Leipziger nicht. Handelt es sich etwa um »Schriftstücke«, die Mollath in der Klinik ausgehängt hat? Wurde diese Angabe in der Dokumentation womöglich deshalb nicht mit Inhalt gefüllt, weil es darin um »vermeintliche Ungerechtigkeiten« in der Klinik ging? Und hätte man, das ist nun Spekulation, Mollath womöglich recht geben können oder gar müssen hinsichtlich seiner Kritik daran? Man weiß es nicht.
    An anderer Stelle in der Bewertung Leipzigers findet

Weitere Kostenlose Bücher