Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)
stützt Lippert sein Urteil auf die Beobachtung des Angeklagten während der Verhandlung vor Gericht. Das reicht ihm aus, um eine stationäre Unterbringung für sechs Wochen vorzuschlagen. Lippert gibt an, Mollath sei zu zwei zum Zwecke der psychiatrischen Begutachtung vorgeschlagenen Terminen im Dezember 2003 und im Januar 2004 nicht erschienen. Eine Begutachtung sei daher wohl nur im Rahmen einer polizeilichen Vorführung möglich.
Mollath wird im Juni 2004 festgenommen und ins Bezirkskrankenhaus Erlangen gebracht. Dort wird er eine Woche lang festgehalten, ehe sich der ihn untersuchende Arzt für befangen erklärt. Mollath wird entlassen.
Im Februar 2005 wird Mollath gegen seinen Willen ins Bezirkskrankenhaus Bayreuth gebracht.
Bezirkskrankenhaus Bayreuth, Montag, 25. Juli 2005
Das für Gustl Mollath wohl folgenreichste Gutachten stammt von Klaus Leipziger, dem Chefarzt der Klinik für Forensische Psychiatrie am Bezirkskrankenhaus in Bayreuth. Das Urteil des Landgerichts Nürnberg fußt wesentlich auf seiner 31-seitigen Expertise. Aber auch Leipziger hat selbst nie ein Begutachtungsgespräch mit Mollath geführt. Besonders wichtig ist er in der Causa deshalb, weil Mollath seit Mai 2009 erneut Insasse des BKH Bayreuth ist, wo Leipziger Chefarzt ist. Mit anderen Worten: Sein ehemaliger Erstgutachter ist seither als Chefarzt ganz maßgeblich an den internen Stellungnahmen beteiligt, die immer wieder über Mollath erstellt werden. Und die im Wesentlichen das bestätigten, was der Gutachter Leipziger schon 2005 erkannt zu haben glaubt. Womöglich deshalb, weil Mollath sich keiner Therapie unterzieht und die Einnahme von Psychopharmaka kategorisch ablehnt. Beides übrigens mit einem schlichten, aber wohl deshalb nicht weniger einleuchtenden Argument: Das Gutachten von Leipziger sei aus der Luft gegriffen. Er, Mollath, sei nicht krank und lehne deshalb Tabletten und Therapien ab.
Grundlage seines Erstgutachtens sind Leipziger zufolge: die »Gerichtsakten«; die »beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth«; der von Mollath in der Gerichtsverhandlung übergebene Schnellhefter. Zudem bezieht Leipziger die »Erkenntnisse«, die Klinikmitarbeiter über Mollath aufgeschrieben haben, in sein Gutachten mit ein: also vermeintliche Erkenntnisse, zu denen sie bei einer juristisch höchst fragwürdigen fünfwöchigen Zwangsunterbringung im Februar 2005 gekommen sind. Untersucht aber hat Leipziger Gustl Mollath nicht. Wie er im Gutachten selbst beschreibt, lehnte es Mollath ab, mit dem Chefarzt unter vier Augen, also ohne Zeugen, zu sprechen. Mollath misstraue ihm, aufgrund des in der Klinik an den Tag gelegten Verhaltens.
Gleich zu Beginn seines Gutachtens bezieht sich Leipziger auf die fragwürdige Stellungnahme aus der Institutsambulanz der Bezirksklinik Erlangen: Die Fachärztin gehe »aufgrund der glaubhaften, von psychiatrischer Seite in sich schlüssigen Anamnese davon aus«, dass Mollath mit großer Wahrscheinlichkeit an einer ernstzunehmenden psychiatrischen Krankheit leide. Worauf sich diese Annahme, diese »Anamnese« und seine Einschätzung einer angeblich »großen Wahrscheinlichkeit« gründen, erwähnt Leipziger nicht. Es weist lediglich darauf hin, dass die Fachärztin »zu einer psychiatrisch-psychotherapeutischen Beratung« hinzugezogen worden sei. Und zwar von der Frau Mollaths.
Es ist ein verstörendes Beispiel, wie sich ein Gutachter auf eine Fachärztin bezieht und damit sein eigenes Gutachten stützt und in eine bestimmte Richtung lenkt, ohne die Angaben der Kollegin auch nur ansatzweise kritisch zu würdigen oder gar zu hinterfragen. Dass es sich um einen Ehestreit handelt, vor dessen Hintergrund die Aussage der Frau fällt, erwähnt Leipziger nicht. Ebenso wenig, dass die Frau die einzige Quelle ist, auf die sich die »Anamnese« bezieht. Und natürlich erst recht nicht, dass die Ärztin den Menschen, dem sie eine »ernstzunehmende psychiatrische Krankheit« quasi attestiert, nie gesehen hat.
Dann ist Leipziger eine Passage aus einem Schreiben Mollaths an das Amtsgericht eine Erwähnung wert. Mollath bittet darum, den Beschluss des Gerichtes, ihn untersuchen zu lassen, aufzuheben. Und zwar, weil die Hinweise auf eine psychiatrische Erkrankung in keiner Weise ausreichend seien, um eine Untersuchung gegen seinen Willen zu rechtfertigen. Wenn man sich erinnert, wie diese Erlanger »Stellungnahme« zustande gekommen ist, dann ist dieses Bittgesuch Mollaths völlig nachvollziehbar.
Dass
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