Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)
kritische Haltung Mollaths der dortigen Ärzteschaft gegenüber skeptisch beäugt. In der internen Stellungnahme von 2012 wird aufgeblättert, Mollath lehne zwar eine »ärztliche Untersuchung durch klinikangestellte Ärzte« ab. Habe aber – »selbständig und ohne vorherige Absprache« (!) – einen Untersuchungstermin mit »persönlich ihm bekannten Ärzten im Außenraum« organisiert. Die Station findet das offenbar irritierend. Sie setzt »Ärzte seines Vertrauens« in Anführungszeichen. Noch interessanter aber wirkt die Betonung, Mollath habe etwas selbständig und ohne vorherige Absprache organisiert.
So endet die Stellungnahme 2012 der Bezirksklinik für die Strafvollstreckungskammer mit den Worten: »Das wahnhaft ausgestaltete Erleben und daraus ableitbare Verhalten des Herrn Mollath wurde über Jahre hinweg nicht weniger, sondern hat sich aus unserer Sicht eher verfestigt und vom Umfang her erweitert.« Der Satz kommt einem bekannt vor. Er findet sich schon in der Stellungnahme 2011. Und dann steht da noch: »Das Ungerechtigkeitserleben persistiert und ist auch als künftig handlungsleitend einzuschätzen.« Das heißt: Mollath denkt, dass ihm Unrecht widerfahren sei. Und dass das auch künftig so sein wird. Ein beinahe noch wichtigerer Satz folgt: »Herr Mollath ist aufgrund seines querulatorischen und provozierenden Verhaltens letztlich nur im professionellen Rahmen einer geschlossenen psychiatrischen Institution weitestgehend konfliktfrei zu führen, wo sehr sensibel auf potentiell konfliktträchtige zwischenmenschliche Entwicklungen mit entsprechend sehr zeitnaher professioneller Interventionsmöglichkeit reagiert werden kann.«
Wie die Strafvollstreckungskammer auf diese Stellungnahme der Klinik reagiert hat, dürfte klar sein. In einem Beschluss vom 30. Juli 2012 schreibt die Kammer: Das wahnhaft ausgestaltete Erleben und das daraus ableitbare Verhalten Mollaths sei nicht weniger geworden, sondern habe sich dem Umfang nach eher erweitert und habe sich verfestigt. Dieser Satz wird ebenso wortgleich aus der Stellungnahme Leipzigers übernommen wie die Feststellung, dass Mollath nur im professionellen Rahmen einer geschlossenen psychiatrischen Institution weitestgehend konfliktfrei zu führen sei.
Ein Detail aber kommt diesmal tatsächlich hinzu. Am 9. Juli 2012 sei es zu einem »Zusammentreffen« zwischen Mollath und der für ihn zuständigen Oberärztin gekommen. Mollath habe die Ärztin aufgefordert, die Stellungnahme zu korrigieren, letztlich eine »wahrheitsgemäße Stellungnahme« zu formulieren. Widrigenfalls sie mit Konsequenzen rechnen müsse: In einer »Ergänzenden Stellungnahme« hat die Klinik diese Situation geschildert. Der offenbar stark angespannte Mollath habe die Oberärztin »mit deutlicher Unterschreitung des üblicherweise gebotenen Körperkontaktabstandes« zur Korrektur der Stellungnahme aufgefordert. Und die angedrohten Konsequenzen? Was sich im Gerichtsbeschluss bedrohlich anhört, ist in der Stellungnahme so aufgeschlüsselt: Mollath habe angedeutet, dass er gegebenenfalls eine Vielzahl von Zeugen benennen werde, die – so findet es sich zitiert – »für ihn aussagen« würden. Man kann daraus folgern, und Mollath selbst sagt es auf Anfrage auch so: für den Fall, dass er irgendwann doch rauskommt aus der Klapse. In der Stellungnahme findet sich noch der Satz: »Unter anderem stünden zivilrechtliche Vorgehensweisen seinerseits im Raum.«
Kapitel 9
Es kommt Bewegung in die Sache
Ihm bleibt nichts anderes übrig, die Justizministerin Beate Merk hat ihn entsprechend angewiesen. Staatsanwaltschaften sind nun einmal weisungsgebundene Behörden. Am 30. November 2012 greift der Nürnberger Generalstaatsanwalt Hasso Nerlich zum Telefon, um Horst Böhm, den Leitenden Oberstaatsanwalt in Regensburg, anzurufen. Wenig später schickt er ihm seinen Auftrag auch schriftlich – für die Akten. Nerlich weist die Regensburger Strafverfolgungsbehörde an, einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens zugunsten Mollaths zu stellen. Wohlgemerkt – und das ist sehr verwunderlich – zu stellen, und nicht nur zu prüfen. Für Mollath ist das zwar ausgesprochen positiv, doch andererseits ist es auch merkwürdig, dass eine Ermittlungsbehörde angewiesen wird, einer Sache nicht nur nachzugehen, sondern sie auch gleich mitgeteilt bekommt, was am Ende ihrer Ermittlungen herauskommen muss. Sei’s drum. Die Regensburger Ermittler um Oberstaatsanwalt Wolfhard Meindl gehen engagiert ans
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