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Die Affen von Cannstatt (German Edition)

Die Affen von Cannstatt (German Edition)

Titel: Die Affen von Cannstatt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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hat er ihn von Woche zu Woche verschoben, in der Hoffnung, mir bald einen Erfolg von Lisas Recherchen melden zu können. Wenigstens einen kleinen.
    Und hat er jetzt einen?, frage ich mich.
    Er zündet sich eine Zigarette an. Der Rest der fast vollen Packung ist wie immer für mich. Dann greift er sich ins Jackett und legt diese E-Mail vor mich hin. Während ich den Text zu erfassen versuche, sagt er: Lisa hat mich heute früh um drei angerufen. Sie kommt übermorgen zurück.
    Sie hat tatsächlich Tills Ex besucht?
    Er nickt. Und sie hätte sich in den Arsch beißen können – um es mal mit ihren Worten auszudrücken –, dass sie so spät darauf gekommen ist, Deutschbeins E-Mails zu überprüfen. Mit ihnen stimmt etwas nicht.
    Es stimmt überhaupt nichts, sage ich und höre, wie erbittert ich klinge. Das ganze Verfahren ist falsch.
    Er blinzelt meinen Anwurf weg und berichtet, dass Lisa annimmt, Till müsse die Korrespondenz mit seiner Ex gelöscht haben. Und dafür muss es einen Grund geben. Nur zwei Mails an Brigitte Crawson hat sie auf der Liste in den Ermittlungsakten entdeckt. Eine ist älter, die andere hat Till einen Tag vor seinem Tod geschrieben. Sie lautet … Weber zieht ein paar Blatt Papier aus seinem Jackett, entfaltet es und liest vor: »My love, ich habe dich sehr gut verstanden. Ich begreife mich selbst nicht mehr. Und wenn du mir einen Dienst erweisen willst, dann lösche meine E-Mails. Und ich bitte dich inständig, verwahre den Umschlag gut, nimm unserer gemeinsamen Tochter nicht die Möglichkeit, sich zu gegebener Zeit eine eigene Meinung über mich zu bilden. Das ist das Letzte, worum ich dich bitte. In ewiger Liebe und Treue, T.«
    Weber schaut mich an.
    Ich kann kaum atmen. Selbstmord?
    Er hebt die Hand. Gemach, gemach! Nur Lisa ist verrückt genug, kurzerhand anzunehmen, dass Deutschbein seiner Exfrau eine Art Lebensbeichte überlassen hat, die sie später der gemeinsamen Tochter geben soll. Und ebenso kurzschlüssig ist sie nach Queensland geflogen. In seiner Stimme schwingt Stolz auf seine irre Freundin.
    Einfach ist es nicht gewesen, Brigitte im Outback von Queensland zu finden. Als Lisa endlich auf der Veranda einer Rinderfarm in der Gegend von Longreach stand, traf sie nur einen mürrischen Ehemann an. Brigitte war mit dem kleinen Kind vor der sommerlichen Gluthitze an die Küste geflohen, und zwar in einen Ort namens Airlie Beach.
    Dort hatte sie natürlich keinerlei Zugriff auf die Mails von Till. Aber an den ominösen Umschlag erinnerte sie sich. Till hatte ihn ihr mit großer Geste bei seinem Besuch Anfang des vergangenen Jahres übergeben. Sie sollte ihn aufheben für den Fall, dass ihm was zustößt. Damit ihre gemeinsame Tochter später weiß, wer ihr Vater war. Typisch Till, immer so melodramatisch. Brigitte legte den Umschlag irgendwohin und dachte nicht mehr an ihn, auch nicht, als sie erfuhr, dass Till tot war. Sogar vermutlich ermordet. Als die Polizei sie nach ihrem Alibi fragte, hatten sie gerade andere Sorgen. Unter den Rindern grassierte irgendeine Krankheit. Brigitte hatte keine Ahnung, wo sie den Umschlag hingetan hatte.
    Lisa musste sie überreden, mit ihr auf die Farm zurückzukehren und zu suchen. Sie fanden den Brief nach einigen Tagen schließlich in einem Schuppen in einem Koffer mit alten Winterklamotten, noch aus Deutschland. Seitenweise Papier, eng bedruckt und von Till Deutschbein handschriftlich unterschrieben.
    Weber macht eine Kunstpause, und ich habe Schnappatmung.
    Nach dem, was Lisa mir heute früh am Telefon erzählt hat, fand sich in dem Umschlag auch ein Speicherstick, der nach ihrer Einschätzung Daten zu Geldverschiebungen auf Stiftungskonten in Steueroasen enthält. Wir sind da seit längerem dran.
    Oh! Deshalb … meine Gedanken überholen sich gegenseitig … deshalb also hat sich der Wirtschaftsstaatsanwalt ursprünglich einmal für Till Deutschbein, das Opfer der Bonoboattacke, interessiert. Und es könnte nun doch jemand aus dem Betrieb gewesen sein, der …
    Und außerdem, unterbricht Weber meinen Gedankenzyklon, befand sich in dem Umschlag der Brief an die Tochter. Ein fürchterlicher biografischer Erguss, meint Lisa. Interessanter sind offenbar die E-Mails, die Deutschbein seiner Frau geschrieben hat.
    Und die sie nicht gelöscht hat?
    Nein. Sie hat die meisten nicht einmal gelesen. Die Internetverbindungen im Outback sind ziemlich langsam. Und sie lebt jetzt, meint sie, ein anderes Leben.
    Was steht denn in den E-Mails?
    Er seufzt. Lisa

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