Die Affen von Cannstatt (German Edition)
hineingebaut. In den Kabinen steht aber nur ein Stuhl aus Plastik. Sie schließen die Tür von außen. Klaustrophobisch darf man nicht sein. Aber oben ist eine Luftluke. Meistens sehe ich Himmel im Spalt. Ab und zu mal einen kahlen Zweig, einen Dachgiebel. Es geht bergab. Ich vermute, dass wir in die Stadt hinunterfahren. Schließlich halten wir. Durch die Luke sehe ich ein eisernes Rolltor aufgehen. Mit mir steigen vier Männer aus. Sie glotzen mich an und wechseln Worte auf Kroatisch. Dem einen rutscht die Hose. Wir befinden uns in einem von Gebäuden umstellten Hinterhof. Ich suche den Himmel über den Dächern nach der Nadel des Fernsehturms ab, der in Stuttgart die Orientierung ermöglicht, aber sie ist nicht zu sehen.
Es geht in einem Gebäude Treppen hoch in einen Gang mit Türen und Stühlen an der Wand, wo Männer in Trainingshosen oder Alltagskleidung sitzen und zwischen ihnen Männer im Anzug, vermutlich die Rechtsbeistände.
Plötzlich sehe ich Onkel Geralds großen Kopf mit den wulstigen Zügen, dem Bart und den drahtigen grauen Locken. Er kommt auf mich zu. Wir haben keine Zeit, groß miteinander zu reden. Ich kann ihm gerade noch versichern, dass ich niemanden umgebracht habe, dann werden wir zum Haftrichter gerufen. Der eröffnet mir den Haftbefehl.
Frau Camilla Feh, wohnhaft im Hagelschieß … Stuttgart Bad Cannstatt … und so weiter … Tötungsdelikt zum Nachteil von Till Deutschbein, wohnhaft in Stuttgart … Adresse … Im Einzelnen wird der Genannten zur Last gelegt, das spätere Opfer Till Deutschbein zunächst in die Zooanlage Wilhelma verbracht zu haben, ins Menschenaffenhaus eingedrungen zu sein und dort den Geschädigten im Käfig der Zwergschimpansen eingeschlossen zu haben, um seinen Tod herbeizuführen. Ob ich mich dazu äußern wolle.
Onkel Gerald spult sein Programm ab. Nein, ich werde mich nicht äußern, bevor er nicht Akteneinsicht genommen hat. Er verneint in meinem Fall Flucht- und Verdunklungsgefahr und dringt auf Aussetzung des Haftbefehls. Dem gibt der Richter in Anbetracht der Schwere der Vorwürfe nicht statt. Der Haftbefehl bleibt bestehen.
Es ist bereits dunkel, als ich in der JVA Schwäbisch Gmünd ankomme. Strahler halten die Nacht fern. Eine Beamtin tastet mich ab. Dann sitze ich in der Zugangszelle und warte. Ich habe keine Uhr, ich bin ohne Zeit in Haft gegangen. Irgendwann schließt man mich raus. In einem Raum sitzt eine Beamtin in grüner Uniform und prüft Papiere. Ich muss richtige Angaben machen, sagt sie mir und fragt, ob ich ein unversorgtes Kind in meiner Wohnung zurückgelassen habe.
Nein .
Ist Ihre Familie hilfsbedürftig?
Nein.
Fühlen Sie sich krank?
Nein.
Wohin soll für die Dauer der Inhaftierung überwiesen werden?
Wie?
Möchten Sie die Unterbringung in gemeinsamer Zelle beantragen?
Was?
Sie haben das Recht auf Einzelzelle.
Ich nicke.
Haben Sie bestimmte Erkrankungen? Sind Sie drogenabhängig?
Muss ich darauf antworten?
Da wird die Beamtin scharf: Wenn Sie gleich so anfangen, werden Sie schon sehen, was Sie davon haben. Sind Sie so eine gegen den Staat und all das?
Bisher habe ich mich sicher gefühlt in meinem Staat.
Ich soll unterschreiben. Dann werde ich in die Kammer gebracht. Ich soll alles herausgeben, was ich noch habe. Die Beamtin macht mich darauf aufmerksam, dass ich nichts verstecken oder zurückhalten darf. Ich habe aber nichts mehr. Nun muss ich mich nackt ausziehen. Eine Beamtin durchwühlt meine körperwarmen Kleider. Die andere zieht sich Einmalhandschuhe an, spreizt mir die Pobacken und schiebt mir den Finger in den Anus und die Scheide. Ich fühle mich stinkig.
Ich frage, ob ich duschen kann. Aber die Dusche im Zugang ist defekt. Ich kann morgen auf der Abteilung duschen. Für mich allein treibt man heute Abend den Aufwand nicht mehr. Welcher das wäre, sagt mir die Beamtin nicht. Ich darf meine Sachen wieder anziehen.
Eine Beamtin hat einen Umschlag mit meinem Schmuck, meinem Portemonnaie, dem Handy. Das ist meine Habe. Alles, was zur Habe gehört, bekomme ich nicht. Nur meine Schnürsenkel kriege ich zurück. Ich muss wieder unterschreiben.
Sie fragen mich, ob ich Anstaltskleidung möchte. Ich bin ratlos, sage nein. Ich bekomme karierte Bettwäsche, zwei Wolldecken, Putzlumpen, Waschlappen, Geschirrtuch, Handtücher, fünf Päckchen Dusch- und Haarwaschgel, eine Zahnbürste, Zahnpasta, Kamm, einen roten Schlafanzug, Badeschlappen und ein Tablett mit Essgeschirr aus Plastik. Ich soll den Empfang der Sachen
Weitere Kostenlose Bücher